Der Lange am längsten
: 20 Jahre Henning

■ Scherf regiert schon länger als Kohl

Wie auch immer Gerhard Schröder am Sonntag abschneidet – Henning Scherf feiert. Auf den Tag genau hat „der Lange“ dann 20 Jahre Senat auf dem Buckel. Am 27. September 1978 war er als Finanzsenator in die Bremer Landesregierung gekommen. Scherf ist der einzige Senator aus der Ära Koschnick, der politisch überlebt hat.

Seine kurze Zeit als Finanzsenator hat der CDU in den Jahren danach immer wieder Anlaß zu Angriffen gegeben. Scherf vertrat damals die „keynesianische“ Position, der Staat könne mit hohen Ausgaben die Konjunktur ankurbeln. In den 70er Jahren wuchsen die Ausgaben des Bremer Landeshaushaltes auf eine Höhe an, die letztlich zu der aktuellen Überschuldung führte.

Die CDU war auch aus ideologischen Gründen immer gegen Scherf. Als Sozialsenator demonstrierte Scherf 1980 gegen das öffentliche Gelöbnis im Weser-Stadion. Der Sozialpolitiker Scherf galt als „Linker“ und Anti-Amerikaner, der im sandinistischen Nicaragua bei der Kaffee-Ernte half. Beinahe wäre Scherf einmal fast über eine abfällige Bemerkung über US-Präsident Nixon gestürzt.

1987 traf Scherf als Parteilinker gegen den Koschnick-Kronprinzen Klaus Wedemeier an. Er verlangte sozialdemokratische Handschrift in der Landespolitik und machte Stimmung: Er stehe für eine große Koalition nicht zur Verfügung. Nachdem Wedemeier sich durchgesetzt hatte, diente Scherf ihm treu als „zweiter“ Mann und mußte acht Jahre lang auf seine Chance warten.

Die kam, als Wedemeier über seine zweite Wahlniederlage 1995 stürzte. Der damals 56jährige Scherf hatte sich zwar in der parteiinternen Kandidatenkür für eine rot-grüne Koalition ausgesprochen, fand dann aber schnell zur harmonischen Kooperation mit der CDU.

„Ich habe etwas dazugelernt“, sagt er heute und empfiehlt die große Koalition für Bremerhaven wie für Bonn. Dieses Ausmaß an Wandlungsfähigkeit hatten Scherf vor 20 Jahren nur jene SPD-Mitglieder nachgesagt, die damals aus der Partei austraten und aus Enttäuschung über die Parteilinke die „Bremer Grüne Liste“ gründeten.

Als designierter Präsident des Senats hatte Scherf bei der Koalitionsbildung 1995 die „harten“ Ressorts für Finanzen, Wirtschaft und Bau der CDU überlassen. In den SPD-geführten Ressorts Soziales, Bildung, Kultur beherrscht der Spar-Zwang die Politik.

Scherf hatte auf Oskar Lafontaine als Kanzlerkandidaten gesetzt. Falls Schröder Erfolg haben sollte, wird Scherf aber keine Mühe haben, den Mann, der als niedersächsischer Ministerpräsident nie ein „Verbündeter“ des kleinen Stadtstaates war, kräftig zu umarmen.

Klaus Wolschner