„Umsichtige Suche nach neuen Wegen“

■ Bremens CDU-Innensenator zur staatlichen Heroinabgabe

taz: Sie könnten sich eine Abgabe von Heroin unter ärztlicher Aufsicht vorstellen. Was meinen Sie damit?

Innensenator Ralf Borttscheller (CDU): Ich bin nach wie vor ein Anhänger der repressiven Linie in der Bekämpfung von Drogenkriminalität. Aber ich erkenne auf der anderen Seite durchaus an, daß ein Drogenabhängiger ein kranker Mensch ist, der ärztlicher Hilfe bedarf. Methadonprogramme bewirken da oft leider nur, daß die Abhängigen quasi ruhiggestellt werden. Allerdings halte ich Methadonprogramme für sinnvoll zum Schutz vor Beschaffungskriminalität. In dem Punkt habe ich meine inneren Vorbehalte, die ich früher hatte, überwunden. Meine Äußerung zur Heroinabgabe ist so zu verstehen: Ich halte nichts von einer ambulanten Therapie, die lax gehandt habt wird wie zum Beispiel in der Schweiz. Wenn Ärzte aber in einem Klinikprogramm sagen: Wir können einem Schwerstabhängigen in einer Übergangszeit oder mittleren Zeit nur damit helfen – in der Klinik und unter ärztlicher Aufsicht – ,indem wir ihm Heroin verabreichen, dann sage ich: Der Arzt muß die therapeutische Möglichkeit bekommen, um einen Ausstieg aus der Droge vorbereiten zu können.

Die Bremer Ärztekammer sagt dazu: Das Verabreichen von Heroin zum Entzug von Heroin werde nirgends gewollt oder angewandt.

Ich sage ja nur – wenn das aus ärztlicher Sicht für nötig gehalten wird, können wir das tun. Ich bin kein Arzt und ich mache auch keine Vorschläge, wie Ärzte behandeln sollen ...

... aber das haben Sie doch gerade gemacht. Sie gaben enge Regeln vor.

Ich habe meine politische Ansicht dazu geäußert, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden könnten. Das ist übrigens das gute Recht eines jeden Staatsbürgers. Ich sage nicht Ärzten, wie sie behandeln sollen.

Also fordern Sie doch plötzlich eine Gesetzesänderung?

Ich bin flexibel im Handeln. So wie ich den restriktiven Teil beibehalten will, so sage ich: Wir müssen notfalls die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, daß man Kranken unter strikten Auflagen helfen kann.

Dann sind Sie doch auf einer Linie mit den Bremer Ärzten, die gerade einen Modellversuch vorbereiten – weil sie es für Schwerstabhängige, bei denen ein Entzug kaum mehr möglich erscheint, für sinnvoll halten.

Ich möchte nicht einfach hinnehmen, daß diesen Menschen nicht mehr zu helfen sei. Natürlich kann man ihnen in der Klinik helfen. Das Problem ist nur, daß sie nach der Entgiftung wieder weglaufen und sie niemand festhalten kann. Zwangstherapien wären zum Beispiel eine Alternative: Sie werden in anderen Ländern durchgeführt, haben allerdings eine hohe Rückfallquote. Unsere ambulanten Therapien haben aber auch eine große Versagerquote. Ich glaube: Man muß individuell entscheiden, was für den einzelnen sinnvoll sein kann.

Genau das macht doch die Bremer Ärztekammer und arbeitet dafür ein Modell aus.

Gut, dann soll sie ihr Modell vorstellen. Nur das Problem ist: Das muß der Bundesgesetzgeber legalisieren. Das unterliegt nicht dem Landesrecht. Ich bin aber nach wie vor strikt dagegen, daß einem Schwerstabhängigen Heroin gegeben wird und er es nicht unter ärztlicher und klinischer Aufsicht konsumiert, sondern drücken kann, wann und wo er will. Damit ist Mißbrauch Tür und Tor geöffnet.

Die Konsumenten im Schweizer Modellprojekt unterstehen aber ärztlicher Aufsicht.

Das Schweizer Modell ist höchst problematisch: In Zürich beobachtet man ein riesiges Herausschwappen der Kriminalität in die Randbezirke: Es gibt keinen Königsweg. Ich bin bereit, im Interesse eines Süchtigen darüber nachzudenken, ob wir nicht neue Wege beschreiten müssen – wenn Ärzte das im Rahmen einer Therapie für richtig und sinnvoll erachten – dann will ich einem Arzt nicht sagen müssen: Nein, der Gesetzgeber sagt einfach, das geht nicht.

Also doch ein Meinungsumschwung?

Eine umsichtige Suche nach neuen Wegen, aber ich bin gegen eine ambulante Herointherapie.

Fragen: Katja Ubben