Drogenpolitisches Outing vor der Wahl

■ Innensenator Ralf Borttscheller gesteht als erster CDU-Innenpolitiker in Ministerwürden öffentlich seinen Meinungswandel zur staatlichen Heroinabgabe – heute im taz-Interview

u - im taz-Interview

Die ideologische Mauer in der Drogenpolitik bröckelt: Als erster CDU-Innenpolitiker in Ministerwürden hat Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) öffentlich einen Meinungswandel zur kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige zugegeben. In einem Interview mit der taz gesteht er ein, mittlerweile „umsichtig“ nach „neuen Wegen“ zu suchen: „Wir müssen notfalls die gesetzlichen Vorraussetzungen dafür schaffen, daß man Kranken unter strikten Auflagen helfen kann.“

Damit reiht sich Borttscheller in die Reihe all derer ein, die bereits öffentlich für eine drogenpolitische Korrektur in der eigenen Partei eintraten: Im Juli bekannten sich in der taz Polizeipräsidenten und CDU-Oberbürgermeister zu einem „Ja“ für staatlich verabreichtes Heroin – während sich andere vor der Bundestagswahl lieber nicht outen wollten. Auch die Bundesärztekammer schwenkte um. Sie bekundete ihre Hoffnung auf einen Richtungswechsel bei Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) – um auch in Deutschland den Weg für eine kontrollierte Heroinabgabe nach schweizerischem Vorbild freizumachen.

„Man muß einsehen, daß man einer bestimmten Gruppe von Abhängigen nur noch so medizinisch helfen kann“, erklärt dazu die Bremer Ärztekammer-Präsidentin Ursula Auerswald: Es sei daher erfreulich, daß „Politiker nun endlich auf medizinischen Sachverstand hören.“ Auch der Bremer Drogenbeauftragte Ingo Michels ist erfreut über die jetzt „differenzierten statt knallharten“ senatorischen Äußerungen. „Ich freue mich, wenn der Innensenator seine Position relativiert“, sagt außerdem SPD-Gesundheitssenatorin Tine Wischer. Die Gesundheitsministerkonferenz hätte schon vor einem Jahr gefordert, für Modellversuche die notwendigen rechtlichen Vorraussetzungen zu schaffen.

In Bremen hat die Ärztekammer bereits eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Sie soll klären, nach welchen medizinischen Kriterien auch in Bremen ein Modellprojekt umgesetzt werden könnte. Hamburg, Frankfurt, Köln sowie Karlsruhe und Hannover haben bei der Bundesregierung bereits eine Genehmigung für derartige Versuche beantragt – trotz der dort offiziell noch strikt ablehnenden Linie.

So betonte der Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner bislang auf Nachfrage zum Schweizer Modell wiederholt, eine „Freigabe von Drogen“ sei mit ihm nicht zu machen. Inoffiziell heißt es dagegen: Nach einem Besuch in der Schweiz sei auch er ins Nachdenken geraten – ein Meinungswandel hinter den Kulissen, den die Bremer auch bei Innensenator Borttscheller vermuten. Er lehnt das Schweizer Modell weiter kategorisch ab: Damit werde „Mißbrauch Tür und Tor geöffnet“. Der Abhängige könnte dann „drücken, wann und wo er will.“ Heroinabgabe gehe nur unter „strikten Auflagen“ – in der Klinik und mit dem Ziel, einen Ausstieg vorzubereiten.

Dieses einschränkende Veto schreckt die Ärztekammer-Präsidentin aber nicht: Schließlich lehne auch die Bremer Ärzteschaft eine Freigabe von Drogen sowie deren Mißbrauch ab. In der Schweiz sei dies auch gar nicht der Fall: Die Schwerstabhängigen müßten Heroin in Ambulanzen unter ärztlicher Aufsicht drücken. Die Droge dürfe gar nicht mitgenommen werden. Wie ein Modellversuch für eine kontrollierte Abgabe in Bremen konkret aussehen könnte, „müßte man dann den Suchtexperten überlassen“, sagte Auerswald. Schließlich hätte der Innensenator ja eindeutig seine Bereitschaft bekundet, „neue Wege zu beschreiten, wenn Ärzte dies für sinnvoll und richtig erachten“ – nämlich Abhängigen, die schwer leber- oder lungenkrank sind und oft nicht mehr zum Ausstieg fähig, ein Weiterleben zu ermöglichen.

kat