Spiel mir das Lied vom Blödsinn

■ Türkische Travestie im SO 36: „Salon Oriental“ und „Gayhane“

Kitsch ist zwar ein universelles Phänomen, aber kulturell unterschiedlich codiert. Was den einen ihr „Schloß am Wörthersee“ aus dem deutschen Heimatfilm, ist den anderen das „anatolische Dorfdrama“ aus der türkischen Videothek. Die Transentruppe um Fatma Souad und Lale Lokum hat das Trash-Potential der türkischen B-Movies um Scham und Schande erkannt und auf die Bühne gebracht. In solchen Filmen ist es meist der Bruder, der die Familienehre wiederherstellen muß. „Wir haben das umgedreht: Bei uns ist der Held eine Frau, die lesbische Tante“, erläutert Fatma: „Sie spielt die Rolle des ältesten Bruders, der seine Cousine aus der Gosse holt.“ Die nämlich ist aus dem Dorf in die Großstadt geflüchtet und als Barschlampe in Istanbul gestrandet. Die Tante folgt ihr, um sie zu retten – erschießt sie aber aus Versehen, und bringt sich letztlich selbst um. Spiel mir das Lied vom Blödsinn.

Der „Salon Oriental“ ist ein allmonatliches Ereignis mit orientalischer Liveband, Tanz und schauspielerischen Einlagen. Hier treffen sich Kabarettgänger und Kreuzberger Mütter, türkische Nachstschwärmer und schwule Stammgäste des SO 36 – „und mit Fummel kommt man frei rein“. Es beginnt mit einer traditionellen Begrüßung durch die GastgeberInnen, zu der es türkischen Tee und Honig gibt, und es klingt auf der Tanzfläche aus mit türkischem oder arabischem Pop, mit House und Halay, dem anatolischen Volkstanz. „Gayhane“ heißt der tanzbare Teil des Abends.

Jedes Mal steht der Salon unter einem anderen Motto. An diesem Wochenende gibt es Aufklärung über „alles, was man schon immer über Bauchtanz wissen wollte“. Denn ob „Raumschiff Orient“, „Geschlechtsumwandlung in der Schwarzmeerklinik“ oder „Oriental Airlines“, im Mittelpunkt der Salon-Sketche stehen meist Aspekte türkisch-orientalischer Populärkultur. Das hängt natürlich mit dem persönlichen Hintergrund von Fatma Souad und Lale Lokum zusammen.

„Ich könnte Bücher damit füllen, was mir als Türkin auf deutschen Straßen an Skurrilitäten geboten wird“, meint Lale Lokum. Genug Stoff also für tausendundeine Abendshow. Bloß kann denn der deutsche Zuschauer die türkisch-deutschen Wortspiele so ohne weiteres verstehen? Müsse er gar nicht, meint Lale Lokum. „Der Zweck ist ja, den türkischen Nachbarn zu fragen: Was haben die gerade erzählt?“ Es geht schließlich nicht bloß um Klamauk, sondern um ein durchaus pädagogisches Ziel: Kommunikation stiften. Daniel Bax

Sa, 26.9., 20 Uhr: Salon Oriental

23 Uhr: „Gayhane“ im SO 36, Oranienstr.190, Kreuzberg