Frau ohne Eigenschaften

■ Weiblich-mittelständischer Alltag: „Lisa Falk – Eine Frau für alle Fälle“ (Pilotfilm Sa., 20.15 Uhr, ZDF, dananch mittwochs, 19.25 Uhr)

Manchmal, wenn das Fernsehen auf die Erde kommt, dann kennt es nur eine Mission: das kategorische Staunen über die eigenen Geschöpfe. Dann steht es wie ein Junge am Fenster des Mädchenumkleideraums, drückt sich die Nase platt und ist ganz aufgeregt. Guck mal die Frau da, die ist ja locker über 40. Eine pubertierende Tochter hat die und einen blauen Kleinwagen. Boah!, die arbeitet ja. Und schau mal, jetzt kocht sie sich einen Tee!

Dabei sind die Zeiten, in denen Frauen um und über 40 als Kommissarinnen, Journalistinnen oder Anwältinnen ohne größeres Lifting auf die Mattscheibe ziehen durften, schon ein paar Jahre her. Der weibliche, am liebsten mittelständische Alltag, für das ZDF ist das wohl immer noch der helle Wahnsinn. Diesmal liegt die Anwältin Lisa Falk (gespielt von einer durchweg unterforderten Ulrike Kriener) in einer zwölfteiligen Serie auf dem Objektträger.

Viel Platz hat sie dort nicht. Gerade soviel, daß sie als wackere Sinnsoldatin des Strafgesetzbuches all die schlecht zahlende, Mist bauende Klientel, von der Hure bis zum vermeintlichen Sexualstraftäter, an die Brust drücken kann. Und dabei sagt sie so ranzige Sachen wie: „Wahrheit ist immer die beste Strategie.“ Doch der arme Tankstellenräuber will ja nicht hören. Der Bengel überfällt sogar noch einen Supermarkt und stellt sich einfach nicht. So einem kann auch die Falk nicht helfen. Auch wenn sie nachweist, daß ihr Klient zwar eine Dumpfbacke, aber kein Polizistenmörder ist. Dafür kann die Falk aus roten Bällchen rote Häschen zaubern und hat irgendwann einmal einem asiatischen Koch mit dem klangvollen Namen Ding Dong eine Aufenthaltsgenehmigung besorgt. Überhaupt scheint der spannendere Teil ihres Lebens schon gelaufen zu sein.

Und so reicht uns das Drehbuch immer mal Indizien nach, die auf eine aparte Vergangenheit als Zirkuskind hinweisen. Ulrike Krieners Spiel ist angenehm dezent. Doch das Drehbuch ist noch dezenter und verrät mit seiner zähen und geheimnisarmen Geschichte seine Protagonistin unerbittlich an die Durchschnittlichkeit. Sie darf nicht mal richtig motzen, nicht brüllen, nicht saufen und nicht schießen. Und wenn sie die polizeilichen Linien durchbricht, um zu ihrem Mandanten und seinen Geiseln vorzudringen, sieht das so dramatisch aus, als wolle sie lediglich die U-Bahn noch erwischen.

Lisa Falk, eine Frau ohne Eigenschaften. Nur der Griff zur Zigarette soll ihr etwas Verruchtes übers Gesicht legen. Doch auch dieses Kleinod, was sie interessanter machen soll, stellt die ZDF-Serie unter die Fahne der Verlierer. Denn Markiges wie „Ich sollte meinen Job aufgeben und nur noch rauchen“ gibt die Falk nur von sich, wenn ein freigesprochener Klient doch Dreck am Stecken hatte und der juristische Triumph nicht länger Sache der Gerechten bleibt. Oder, wenn sie wider besseres Wissen noch einmal mit ihrem Gatten vögelt.

Aber vielleicht kommt ja ihre Stunde doch noch. Dann wird Lisa Falk, die Hobbyfechterin, endlich ihren glühenden Degen auspacken, sich eine Filterlose ins Gesicht stecken, ihre Deutschlehrerinnengarderobe verbrennen, die Drehbuchschreiber zurück auf den Mars schicken, ein schwungvolles „F“ auf die Mattscheibe ritzen und mit Ding Dong dem Sonnenuntergang entgegenreiten. Birgit Glombitza