Banken zahlen für Fehlspekulation

Der New Yorker LTCM-Fonds entging nur knapp dem Bankrott durch riskante Anlagen. Börsen reagieren nervös, auch deutsche Banken müssen für Rettung zahlen  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – „Es gibt keine bessere Zeit, um einen Hedge-Fonds zu steuern“, heißt es im Umfeld des Mega-Spekulanten George Soros. Doch offenbar kann das nicht jeder, wie der Beinahezusammenbruch des US-Spezialfonds Long- Term Capital Management (LTCM) demonstriert, der auch die deutschen Banken dreistellige Millionenbeträge kosten könnte.

Die Dresdner Bank erklärte am Freitag, sie müsse Bewertungskorrekturen für 240 Millionen Mark vornehmen. Die Deutsche Bank hat sich sogar mit rund 500 Millionen Mark an der Rettungsaktion beteiligt und davon Anteile des Fonds gekauft. Wenn es tatsächlich zum Kollaps komme, hieß es, werde das „unabsehbare Folgen für das internationale Bank- und Finanzwesen“ haben – tatsächlich verzeichneten alle Börsen am Freitag Verluste, der Dow Jones fiel um 1,9 Prozent, der Nikkei-Index sogar um 3,3 Prozent. Auch die bayerische Hypo-Vereinsbank versprach einen zweistelligen Millionenkredit.

Damit ist also klar, daß deutsche Banken im selben Boot sitzen wie die Schweizer Großbank UBS, Goldman Sachs oder die Travelers Group, die allesamt zu der Gruppe aus 15 US-amerikanischen und internationalen Banken gehören, die in der Nacht zum Donnerstag in aller Eile unter Koordination der US-Notenbank ein Rettungspaket von 3,75 Milliarden US-Dollar zusammenschnürten und damit rund 90 Prozent des Fonds übernommen hatten.

Aktueller Anlaß für die Schieflage des LTCM-Fonds sind riesige Verluste mit spekulativen Termingeschäften in Rußland, die das Fonds-Vermögen binnen neun Monaten von 4,8 Milliarden US- Dollar auf weniger als eine Milliarde US-Dollar reduziert hatten. Das hat die Finanzwelt vor allem deswegen alarmiert, weil sich mit dem LTCM ein Hedge-Fonds verspekuliert hat, in dessen Beirat Robert Merton und Myron Scholes sitzen, die im vergangenen Jahr noch den Nobelpreis erhalten hatten. Ihre 1973 veröffentlichte Formel zur Berechnung des Preises von Optionsscheinen hat viel zum theoretischen Unterbau der Hedge-Fonds beigetragen und ist bis heute auf den Optionsmärkten die gängige Berechnungsmethode für Termingeschäfte.

Hedge-Fonds bieten weit höhere Gewinnmöglichkeiten als andere Investmentfonds – sie sind aber auch extrem riskant. Sie sind praktisch keinem Regularium im Hinblick auf Risikostreuung und Anlegerschutz unterworfen. So darf beispielsweise ein deutscher Aktienfonds im Regelfall nicht mehr als fünf Prozent der Aktien eines einzelnen Unternehmens halten. Übernimmt er zehn Prozent, muß er dies offenlegen. Das Volumen solcher zehnprozentiger Einzelanlagen darf nicht höher sein als 40 Prozent der Gesamtinvestitionen.

Hedge-Fonds sparen sich nicht nur diese Beschränkungen – sie finanzieren ihre Geschäfte auch noch über Kredite –, und das Verlustrisiko übersteigt oft bei weitem das Vermögen. Deshalb sind bei finanziellen Schwierigkeiten nicht nur Anleger, sondern auch Kreditgeber betroffen. Beliebteste Operationsgebiete sind aufstrebende Märkte wie Rußland oder Ostasien, wo auch gegen Währungen spekuliert wird. Kritiker werfen Hedge-Fonds deshalb vor, daß sie internationale Märkte destabilisieren und einzelne Volkswirtschaften schwer belasten können.

Die Zahl dieser aggressiven Fonds, die sich vor allem in den angelsächsischen Ländern ausbreiten, hat sich seit 1992 mehr als verdreifacht und wird derzeit auf rund 1.000 geschätzt. Ihr Gesamtvermögen soll bei rund 300 Milliarden US-Dollar liegen. Der LTCM ist nicht der erste größere Hedge- Fonds, der sich in den Krisengebieten verspekuliert hat. Im vergangenen Jahr hatte es den Spekulanten Victor Niederhoffer erwischt, dessen Fonds darauf gesetzt hatte, daß der thailändische Baht an Wert gewinnt. Die Währung stürzte um fünfzig Prozent, über hundert Millionen US-Dollar gingen verloren.