Die Gegner von Rot-Rot sitzen auch in der PDS

■ In Mecklenburg-Vorpommern hat die PDS nach der Landtagswahl wahrscheinlich zum ersten Mal die Chance, in einer Landesregierung mitzuarbeiten. Nicht alle Genossen freuen sich darauf

Schwerin (taz) – Als Eckhardt Rehberg aus der Zeitung erfahren mußte, daß das Berufsbeamtentum, der Religionsunterricht und die Behörde des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern abgeschafft werden sollten, hatte der Schweriner CDU-Fraktionschef die Faxen dicke: Die PDS, die diese herben Forderungen in internen Strategiepapieren vom Juni und August als „unverzichtbare Eckpunkte“ für (Koalitions-)„Verhandlungen mit der SPD“ erhoben hatte, war Rehberg schon lange ein Dorn im Auge.

Also ließ er sich die PDS-Papiere, die das Volumen zweier gediegener Grundstudiums-Hausarbeiten haben, vergangene Woche besorgen und stellte sie – offenbar zur Warnung vor dem postkommunistischen Schreckgespenst – ins Internet. Rehberg wolle sich wohl zum „Star(r)-Ermittler“ von Schwerin aufspielen, witzelte selbst die SPD.

Inzwischen hat die PDS ihre Forderungen revidiert: Erst beschwichtigte der pragmatische PDS-Landeschef Helmut Holter, der eine rot-rote Regierung in Schwerin anstrebt, es handele sich um „Einzelpositionen“, die da forderten, Strafverfahren gegen Verantwortliche des SED-Systems einzustellen und Stasi-Mitarbeit nicht länger als Hinderungsgrund für ein Amt zu betrachten.

Im überarbeiteten „Positionspapier für Gespräche nach der Landtagswahl“ vom vergangenen Mittwoch nun gibt man sich noch moderater. Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, des Verfassungsschutzes, des Religionsunterrichts und des Stasi-Landesbeauftragten sind kein Thema mehr. Doch für große Teile der PDS war der ursprüngliche Forderungskatalog keineswegs als Scherz gemeint.

Insbesondere die PDS-Basis hat Schwierigkeiten sich mit dem Gedanken der Regierungsbeteiligung anzufreunden. Viele fürchten um den Verlust der eigenen Identität, und genau diese Stimmung spiegelt sich in den Papieren wider: „Sollte sich die PDS auf eine förmliche Tolerierungsvereinbarung einlassen, muß sie wissen, daß sie damit den Status der Oppositionspartei aufgibt“, gibt der wissenschaftliche Mitarbeiter der PDS- Fraktion, Karl-Friedrich Gruel, zu Bedenken. Denn egal ob die PDS „mitregiert oder toleriert“, die Rolle der Partei sei künftig mit „bisherigen traditionellen Erklärungsmustern“ nicht mehr zu beschreiben. „Betreibt sie (die PDS, d. Red.) Koalitionspolitik im alten Stil, gerät sie in Gefahr, Gefangener der SPD zu werden. Betreibt sie radikale Fundamentalopposition“, werde sie früher oder später einer „Bunkermentalität“ erliegen. Und: „Versteht sie sich wie die SPD als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus, ist sie überflüssig.“

Genau diese Fragen muß die PDS, die mit 22,7 Prozent der Wählerstimmen derzeit die einzige Opposition im Landtag stellt, sich in den nächsten Wochen beantworten.

Dabei vertritt die PDS bei aller inneren Zerrissenheit und Angst vor der Regierungsverantwortung durchaus Positionen, die bei der vermeintlichen Koalitionspartnerin SPD auf Wohlgefallen stoßen dürften: Gegen die Einführung von Studiengebühren und für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor sind auch die Sozialdemokraten. Und auf Gemeinde- und Kreisebene sitzen PDS-Mitglieder längst auf Regierungspöstchen, auf denen sie – beispielsweise in Verkehrs- oder Sicherheitsfragen – teils ähnlich konservative Positionen wie die CDU vertreten. Schwieriger dürfte auf Landesebene die Einigung mit der SPD über einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz von der Geburt bis zum 10. Lebensjahr werden. Die Idee der PDS, die Dauer der Grundschule wie in Berlin auf sechs Jahre zu erhöhen, könnte den Sozis schon eher gefallen. Doch dem Rechtsanspruch auf berufliche Erstausbildung, den der parlamentarische PDS-Fraktionsgeschäftsführer Arnold Schoenenburg am Mittwoch als „nicht verhandelbar“ bezeichnete, lehnt SPD-Spitzenkandidat Harald Ringstorff ab. Die von der PDS bis zum Jahr 2000 geforderten 20.000 neuen Arbeitsplätze mag er jedoch nicht garantieren.

Fraglich ist auch, ob die SPD Bundesratsinitiativen zur Abschaffung des Ausländerrechts und des Asylbewerberleistungsgesetzes mittragen würde und ob die Absenkung der Quoren bei Volksentscheidungen gelingt. Heike Haarhoff