„Wenn Sie ein Auto brauchen...“

Vertreter der ehemaligen VW-Zwangsarbeiter sauer über „Bestechungsversuch“ des Wolfsburger Konzerns. Gespräche über Hilfsleistungen vorerst geplatzt  ■ Von Joachim Faruhn

Bremen (taz) – Die Gespräche über Hilfsleistungen des VW-Konzerns für seine ehemaligen Zwangsarbeiter sind geplatzt. Der Vertreter der Naziopfer, Klaus von Münchhausen, hat die Verhandlungen vorerst abgebrochen. VW wolle ihn ausbooten, sagt Münchhausen. Vorstandssprecher Klaus Kocks habe ihn mit einem „Bestechungsangebot“ zu kaufen versucht. In der nächsten Woche will Münchhausen nach Israel reisen, um einen Entschädigungsprozeß gegen VW vorzubereiten. Wenn VW das verhindern wolle, sollte die Firma sich schriftlich an ihn wenden und eine Änderung ihres Verhaltens zusagen, verlangt Münchhausen.

Mit „besten Grüßen und Glückauf“ hat Kocks am 22. September eine handschriftliche Notiz an den Bremer Politologen geschickt: „Darf ich Ihnen anbieten, Ihre Arbeit, die Sie ja als Privatmann betreiben, gelegentlich zu unterstützen“, schreibt Kocks. „Wenn Sie zum Beispiel ein Auto brauchen oder ein Flugticket o.ä., sprechen Sie doch bitte ganz offen Herrn Grieger an.“ „Eine Unverschämtheit, mir bei laufenden Verhandlungen ein solches Angebot zu machen“, wettert Münchhausen. Er hält Vollmachten von 150 jüdischen VW-Zwangsarbeitern und verhandelt federführend für die Seite der Opfer.

Münchhausen hat zudem den dringenden Verdacht, daß VW ihn aus den Gesprächen herausdrängen möchte. Hintergrund für diese Sorge sind Äußerungen der Unternehmensberatung KPMG, die für VW die Zahlungen an Zwangsarbeiter abwickeln soll, gegenüber einem von Münchhausen vertretenen Zwangsarbeiter. Der Mann hatte sich direkt an KPMG in Frankfurt gewandt, nachdem am Freitag in der in Israel erscheindenden ungarischen Zeitung Uj Kelep die KPMG als Kontaktstelle für alle Forderungen angegeben worden war. Man habe ihm gesagt, daß man den weiteren Verlauf auch ohne Münchhausen abwickeln könne, bestätigt Lydia Vago, die in Israel eine Gruppe von ehemaligen Zwangsarbeitern betreut, gegenüber der taz. Für Münchhausen ist diese Aussage ein Beleg für die unredliche Strategie von VW. Noch sei die entscheidende Frage nicht geklärt, wieviel Geld die einzelnen Naziopfer aus dem von VW zunächst mit 20 Millionen Mark dotierten Hilfsfonds bekommen sollen. Ein Kuratorium aus prominenten Alt-Politikern, das darüber entscheiden soll, ist noch nicht zusammengetreten.

VW-Vorstandssprecher Kocks räumte gestern gegenüber der taz „mißverständliche Äußerungen bei KPMG“ ein. Es sei der Versuch gewesen, den alten Menschen deutlich zu machen, daß Formalien in dem Antragsverfahren keine Rolle spielten. „Dadurch ist ein völlig falscher politischer Eindruck entstanden“, sagte Kocks. Es sei VW keinesfalls daran gelegen, Münchhausen rauszudrängen. Um weitere „Mißverständnisse zu vermeiden“, werde VW in der nächsten Woche Zeitungsanzeigen veröffentlichen. Darin würden potentiellen Antragstellern für den Hilfsfonds Regularien und Namen der Ansprechpartner bekanntgegeben. Auch von einem Bestechungsversuch könne keine Rede sein. Die Existenz des Briefes, der der taz vorliegt, wollte Kocks nicht bestätigen. In einem weiteren Fax an Münchhausen von gestern schreibt Kocks, der erste „Zettel“ sei als „freundliche Geste gemeint gewesen, keinesfalls als ein irgendwie gearteter Versuch, Sie zu beeinflussen“. Hinter all der Aufregung steckt die bisher noch offene Frage, wieviel ehemalige Zwangsarbeiter von deutschen Industriekonzernen als individuelle Zahlung bekommen sollen – unabhängig davon, ob die Zahlungen von Firmen wie VW oder Siemens direkt oder über eine diskutierte Bundesstiftung erfolgen.