Ende eines zehnjährigen Versteckspiels?

■ Die Fatwa forderte Opfer unter Rushdies Übersetzern und Verlegern

Berlin (dpa/taz) – Seit dem Valentinstag im Februar 1989 lebt Salman Rushdie mit der Todesdrohung an geheimen Orten in Großbritannien. Mehr als 30mal wechselte der Autor der „Satanischen Verse“ sein Domizil, trug zeitweise eine Perücke und berichtete von Versuchen, ihn zu töten. „Ich lebe in der Hölle. Ich war die Geisel der Geiseln“, erklärte der 51jährige Brite indischer Herkunft einmal. Rund um die Uhr wurde er von Polizisten bewacht, öffentliche Auftritte waren nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen möglich. Die Fluggesellschaft British Airways weigerte sich aus Angst vor Anschlägen, ihn zu tranportieren. Rushdie ist dort weiter unerwünscht, wie ein BA-Sprecher gestern erklärte.

Die ersten Jahre der erzwungenen Isolation waren die schlimmsten. In der nordwestenglischen Stadt Bradford wurden Rushdies Bücher von Fanatikern verbrannt, in Indien und Pakistan starben Menschen bei Protesten gegen den umstrittenen Roman. Im März 1989 wurde in Brüssel das geistliche Oberhaupt der sunnitischen Muslime in den Beneluxländern, Abdullah el Ahdel, und sein Bibliothekar von Unbekannten erschossen. Im Juli 1991 wurde der italienische Übersetzer der „Satanischen Verse“, Ettore Capriolo, bei einem Attentat in Mailand schwer verletzt. In Japan wurde der Buchübersetzer Hithoshi Igarashi erstochen. Der türkische Schriftsteller Aziz Nesin wurde Ziel eines Brandanschlags, weil er Buchauszüge veröffentlicht hatte. Im Oktober 1993 wurde der norwegische Verleger der „Satanischen Verse“, William Nygaard, durch Schüsse schwer verletzt.

Auch Rushdies Eheleben litt unter der Isolation. Seine zweite Frau, die US-Schriftstellerin Marianne Wiggins, verließ ihn nach 15 Monaten im Untergrund. Westliche Regierungen stellten sich nur mit Lippenbekenntnissen auf die Seite des Schriftstellers. Nur fünf Wochen nach dem Mordaufruf Chomeinis schickten die EU-Staaten ihre Botschafter wieder in den Iran zurück und setzten ansonsten auf Vergeßlichkeit.