Kalauer und Pappnasen

Unkomische Komödie: Jürgen Flimm inszeniert „Wie es euch gefällt“ am Thalia  ■ Von Barbora Paluskova

Wdenn die Welt eine Bühne sein soll, dann muß die Bühne eine Scheibe sein? Man soll ja nicht kleinlich sein, zumal es sich gar nicht um eine richtige Scheibe handelt. Das eindrucksvolle Bretterobjekt, das Bühnenbildner Bodo Demelius mitten ins Thalia Theater gestellt hat, kurbelt kräftig den Assoziationsmotor an: Es könnte ein Skateboard darstellen, eine verbeulte Satellitenschüssel oder Vinyl auf der Zentralheizung. Auch ein Raumschiff läge im Bereich des Vorstellbaren, und im Grenzfall sogar der Ardennenwald. Der alte Zauberwald der französischen Rittergeschichten ist hier zwar ein bißchen hart ausgeleuchtet, aber dafür schön karg eingerichtet. Nur eine drehbare Stolperschwelle unterstreicht die Entbehrungen des Waldlebens. Die restliche Leere ist der Phantasie preisgegeben, die das Publikum mitzubringen hat.

Auf jeden Fall ist diese Bühne das aufregendste Element in Jürgen Flimms Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt, die am Samstag im Thalia Premiere feierte. Die übrigen Elemente, auf die sich das Stück stützt, sind ein gutes Ensemble, ein bekannter Text, spärlich eingesetzte, doch gekonnte Artistik sowie Pappnasen. All dies soll zusammen eine Komödie ergeben. Zu Lachen gibt es hier jedoch wenig.

Man fragt sich, was der Regisseur an diesem Drama eigentlich reizvoll fand. Von einer Poesie, die der märchenhafte Schauplatz hätte bieten können, ist kaum etwas zu spühren. Der Witz fällt ebenfalls weitgehend aus. Er wird in Form von Kalauern geboten, und selbst die gehen oft akustisch unter. Die Verwechslungskomödie um zwei verstoßene adlige Kinder bietet eigentlich eine solide komische Grundlage. Der Höhepunkt ist eine Kettenreaktion unglücklich Verliebter: Schäfer Silvius liebt Schäferin Phöbe. Die seufzt einem jungen Mann nach – der verkleideten Herzogstochter Rosalind. Diese zieht es wiederum zu Orlando, und der ganze Knoten samt Seitenschleifen muß zum Happy-End aufgelöst werden. Bei Jürgen Flimm geschieht dies so beiläufig, als hätte ihn die Pointe gar nicht interessiert. Doch wenn nicht das, was dann?

Einige wenige lustige und poetische Momente sind dennoch zu sehen. Wenn Rosalind (Annette Paulmann) und Celia (Dorothee Hartinger) mit einem Atlas ihre Ausbruchsroute planen, dann gewinnt die Szene den Charme eines guten Weihnachtsmärchens. Annette Paulmann muß zwar für die Hauptfigur in einer Komödie ein bißchen viel Sorge mit sich herumtragen, doch in ihrem Spielchen mit der ungeliebten Männerrolle steckt mancher Reiz. Auch Hans Kremer gelingt es zuweilen, Orlandos Selbstverliebtheit ironisch zu konterkarieren. Peter Striebeck als Probstein und Werner Wölbern als Silvius sind sehr komisch – allerdings nicht wegen, sondern trotz Pappnasen – auch das verdient Anerkennung. Schade dagegen, daß dem echt komischen Siegfried W. Kernen so wenig Platz eingeräumt wurde.

Mit diesem Ensemble hätte Wie es euch gefällt eine prima Komödie werden können – ja werden müssen. Statt dessen gewinnt man den Eindruck, als hätte Jürgen Flimm das Stück gar nicht gefallen.