„Messies“ trafen sich ganz ohne „Cleanies“ zum Chaos-Talk

■ Die organisierten „Unordentlichen“ (“Messies“) beschäftigten sich vor allem mit der Frage: Wie läßt sich im eigenen Chaos Ordnung halten?

Hannover. Ihre Welt ist das Chaos: Zahlreiche Menschen in Deutschland sind „Messies“ – Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu organisieren. Anfang der 90er Jahre schwappte die „Messie“-Bewegung aus den USA nach Deutschland. An ihrer Spitze steht die Amerikanerin Sandra Felton, die Gründerin zahlreicher Selbsthilfegruppen, die sich mittlerweile auch hier gebildet haben. Am Wochenende trafen sich die „Messies“ mit ihrem Idol Sandra Felton zu einer bundesweiten Konferenz in Hannover.

„Ich hätte ja gerne ein schönes Zuhause, aber ich kriege es einfach nicht hin“, sagt Hausfrau Gabi. Berge von Zeitungen und Bücher stapeln sich in ihrem Flur, im Wohnzimmer sind sämtliche Sitzmöbel mit Klamotten, Schuhen und CDs belegt, im Badezimmer ist kein Durchkommen mehr. Besuch muß sich mindestens drei Tage vorher anmelden, damit genügend Zeit bleibt, die Wohnung in einen ansehnlichen Zustand zu bringen. „Meine Kinder schämen sich, Freunde mit nach Hause zu bringen,“ sagt die Frau, die sich mittlerweile zum „Messie“ bekennt.

Denn vor einigen Wochen entschied sich Gabi dazu, Mitglied bei den „Anonymen Messies“ zu werden. Davor hatte sie bereit alle Bücher von der Amerikanerin Sandra Felton gelesen: „Sie ist so ermutigend und humorvoll, jetzt kann ich mein Schicksal leichter annehmen.“

Für die Amerikanerin hat das Chaos eines Messies (von engl. mess = Unordnung) nichts mit Faulheit zu tun, sondern mit einer Charaktereigenschaft, die nur mit Tricks und Hilfen überwunden werden kann. „Messies denken einfach anders. Wie viele kreative Menschen benutzen sie mehr ihre rechte Gehirnhälfte, die für Intuition und Gefühl zuständig ist und weniger ihre logische linke Seite.“

Ein Messie kommt nach Hause und zieht die Schuhe im Wohnzimmer aus, weil es vergnüglicher ist, sofort in den Sessel zu fallen. Weil der Mensch mit Hang zur Unordnung unter einer gestörten Wahrnehmungsfähigkeit leidet, macht es ihm auch nichts aus, daß Dinge dort herumliegen, wo sie eigentlich nicht hingehören. „Wenn er jedoch später die Schuhe nicht wiederfindet, ist er frustriert.“ Bei einem „Cleanie“ sei es genau umgekehrt. Die Ordnungsfanatiker wollten unbedingt die Frustration vermeiden, später etwas suchen zu müssen.

Wichtigster Punkt im Kampf gegen die Unordnung ist für Felton, keine Entschuldigung mehr dafür zu finden. Erst dann könne das Anti-Chaos-Programm gestartet werden. „Beginnen Sie an der Eingangstür und mit dem ersten Möbelstück, das Fächer oder Schubladen hat“, rät sie. „Bei der Arbeit haben Sie drei Kartons neben sich: eine Wegwerfkiste, sowie eine Aufbewahrungskiste und eine für Dinge, die sie verschenken wollen.“ Ein Zimmer nach dem anderen sollte so durchforstet werden.

„Messies sind meistens Perfektionisten. Sie wollen keine falschen Entscheidungen treffen, daher horten sie Dinge, weil sie sich nicht entscheiden können, was sie damit tun sollen. Sie hassen es, Entscheidungen zu treffen, weil sie befürchten, es könnten die falschen sein.“

Dabei sind sie offene Menschen und an vielen Dingen interessiert. Verglichen mit den „großen Dingen auf der Welt“ erscheine es ihnen aber einfach zu mühselig, die Tischbeine abzustauben.

Carola Groß-Wilde, dpa