„Freier sind ganz normale Männer“

■ Die Bürgerschaft debattierte über Zwangsprostitution und Frauenhandel und fordert künftig mehr Razzien in Bordellen

Wo waren die Männer? Als der Tagesordnungspunkt zwölf „Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution“ in der Bürgerschaft aufgerufen wurde, waren die Plätze der Fraktionschefs leer. CDU-Chef Ronald-Mike Neumeyer war nicht zu sehen. Andreas Lojewski (AfB) war nicht da. Auch der Platz von Dieter Mützelburg (Grüne) war frei. Auf dem Tisch von Christian Weber (SPD) erinnerte nur ein dicker, aufgeschlagener Ordner daran, daß der Fraktionschef zur Sitzung erschienen war. Zur Debatte stand ein Dringlichkeitsantrag der Großen Koalition von CDU und SPD. Auch die Grünen hatten schon im Juli einen Antrag zum Thema formuliert. Alle Fraktionen waren sich darüber einig: Den Frauen, die illegal nach Deutschland gebracht und hier zur Prostitution gezwungen werden, muß geholfen werden. Nur wie, darüber gab es Streit.

Zwischen 1990 und 1996 gab es im Land Bremen 50 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels. 72 Opfer und 120 Tatverdächtige wurden dabei registriert. Aus Angst vor den Peinigern sagen die Frauen nicht aus. Die Dunkelziffer ist deshalb immens.

Die grüne Abgeordnete Gerhild Engels ergriff das Wort. Frauenhandel und Zwangsprostitution seien eine schwere Menschenrechtsverletzung, sagte sie. Die Frauen würden in den Bordellen aufgegriffen und abgeschoben. „Die Frauen haben nichts zu gewinnen und alles zu verlieren.“ Um die Frauen trotzdem zur Aussage zu bewegen, müßte man die Rahmenbedingungen verbessern. Nur so könnten die Menschenhändler dingfest gemacht werden. 45 Tage Bedenkzeit wollte sie den Frauen geben, damit sie sich überlegen können auszusagen. Eine unabhängige Beratungsstelle müsse eingerichtet werden, um die Frauen zu betreuen. Während des Prozesses gegen die Menschenhändler sollen die Frauen nach dem Willen der Grünen eine Arbeitserlaubnis bekommen. Wenn sie nicht in ihre Heimatländer zurückkehren wollten, müßte man ihnen den Weg ebnen, in Deutschland zu bleiben. Andreas Lojewski (AfB) kam zurück. Auch Dieter Mützelburg (Grüne) saß schon längst wieder brav auf seinem Platz.

Daß Zwangsprostitution „menschenverachtend“ und die „härteste Form organisierter Kriminalität“ sei, sah auch Catrin Hannken (CDU) so. Die Frauen müßten allerdings nach dem Prozeß konsequent abgeschoben werden. „Sonst schaffen wir für die Frauen ein Anreizsystem, illegal nach Deutschland zu reisen.“ Hannken wollte die Menschenhändler lieber mit verdeckten Ermittlern, Lauschangriffen und verdachtsunabhängigen Personenkontrollen dingfest machen. Durch Aufklärungsarbeit vor Ort müßte erreicht werden, daß die Frauen gar nicht erst auf die leeren Versprechen der Menschenhändler eingingen. Christian Weber (SPD) kehrte zurück an seinen Platz. 45 Tage Bedenkzeit – wofür? fragte Catrin Hannken. „Völlig aus der Luft gegriffen“, meinte auch Karla Hense-Brosig (AfB). Neumeyer fehlte noch immer. Hilde Adolf (SPD) trat ans Rednerpult. „Wir alle verurteilen die Täter und bedauern die Opfer“, doch das sei zu einfach. Die „Triebfeder“ der Menschenhändler sei „Geld“. Angebot und Nachfrage bestimme das Geschäft. „Freier sind ganz normale Männer“, die ihre Mittagspause dazu nutzen, sich im Bordell mal eben schnell den „Kick“ zu verschaffen. Sie zweifle nicht daran, daß auch die Mittagspausen von Parlamentariern zu solchen Aktivitäten genutzt werde. Gelächter. Auch wenn für die Frauen sicherlich mehr getan werden könne, sei sie mit dem Antrag von CDU und SPD zufrieden. Schließlich ginge es jetzt darum „pragmatische Lösungen“ zu finden. Minuten später beschloß die Bürgerschaft mit den Stimmen von CDU, AfB und SPD die pragmatischen Lösungen: Die Bordelle sollen künftig stärker überprüft werden, ausländische, kriminelle Menschenhändler sollen „weiterhin konsequent nach geltendem Recht ausgewiesen werden“. Außerdem sollen die Opfer bei ihrer Rückkehr unterstützt werden. Die Grünen enthielten sich. Der Antrag ging ihnen nicht weit genug. Die Debatte war zuende. Wo war Neumeyer? Der Präsident entließ die Abgeordneten zur Mittagspause. Vor der Bürgerschaft stand Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU), umgeben von einigen Abgeordneten und grinste: „Wo gehen wir jetzt hin?“ kes