In Bremen gute CDU-Mienen zum bösen Ergebnis

■ Von niedergeschmettert bis himmelhochjauchzend: Die Stimmung auf den Wahlpartys

Helga Trüpel brachte um 18.45 Uhr den kleinsten gemeinsamen Nenner auf den Punkt: „Es ist geschafft, Kohl ist weg“, ruft die grüne Ex-Senatorin den rund 200 Grünen-Anhängern im Modernes zu. Aber die Freude hält sich in Grenzen, zu groß ist die Angst vor einer Großen Koalition. „Die wird kommen“, orakelt Landesvorstandssprecher Hucky Heck. „Alles hängt an der SPD“, stellt Landesvorstand Jörg Hutter fest. So müssen die Auftritte des Oggersheimer Ex-Kanzlers für die einzigen Stimmungshochs unter den Bremer Grünen sorgen. Eine weitere mögliche Regierungsvariante ruft hingegen eher Schauder hervor. „Bloß keine Ampel“, seufzt die Bürgerschaftsabgeordnete Karoline Linnert. Davon habe sie seit den Bremer Erfahrungen genug. Eine Tolerierung von Rot-Grün durch die PDS könnte sich so mancher im Modernes vorstellen. Und der Abgeordnete Helmut Zachau erwartet mit Freuden, daß sich „dieses Land endlich wieder politisiert“.

Bei der SPD-Basis im Bürgerhaus Weserterrassen herrscht natürlich eitel Freude. Jubel begleitet jeden Auftritt von Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine auf den Bildschirmen. Die Parteiprominenz wie der Bundestagsabgeordnete Volker Kröning oder Ex-Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte sehen hingegen die schwierigen Verhandlungen um eine Regierungsbildung voraus. Die Stimmung im Saal ist gespalten: Die einen sind für Rot-Grün, auch wenn es knapp ist. Andere sind gegen eine unsichere Mehrheit. Das sozialdemokratische Volk freut sich jedoch über das gute Abschneiden der PDS: „Das ist ein deutliches Zeichen für einen Politikwechsel“, sagt einer.

Im CDU-Haus am Wall verbreiten die Promis bei der internen Wahlparty für Parteiaktivisten gute Miene zum bösen Ergebnis: Obwohl bis Redaktionsschluß über das zweite Bremer Unionsmandat für den Bremerhavener Michael Teiser noch keine Klarheit herrschte, tritt CDU-Landeschef Bernd Neumann mit einem Lächeln vor die Presse: „Das Leben geht doch weiter.“ „Der Souverän hat gesprochen“, meint Wirtschaftssenator Josef Hattig. „Man muß auch verlieren können“, so Fraktionsvize Elisabeth Motschmann.

Dabei hatte der Wahlabend für die Union weniger entspannt begonnen: Schon die erste Prognose ist niederschmetternd. 35 Prozent für die CDU und satte 41 Prozent für die SPD: Im Bremer Sitzungssaal drei im CDU-Haus ist es still geworden. Landeschef Bernd Neumann (mit grünem Schlips) schreibt die Ergebnisse auf. Innensenator Ralf Borttscheller kaut am Bügel seiner Brille. Nach der „ersten Prognose verlaßt ihr bitte den Raum“, wendet sich CDU-Sprecher Guido Niermann betont jovial an die Journalisten. „Dann ist hier closed shop“.

Während die Basis im ersten Stock der ersten Hochrechnung entgegenfiebert, sitzt die Bremer CDU-Spitze im zweiten Stock dichtgedrängt beieinander und starrt auf die zwei Bildschirme. Die Ergebnisse der ersten Hochrechnung flimmern über den Bildschirm. Im Sitzungsraum drei ist es plötzlich ganz still geworden. Guido Niermann baut sich vor der Tür auf und wedelt mit den Händen. „Weg hier, weg hier, hier sitzt der Landesvorstand.“

Bei der PDS-Wahlparty im Schlachthof ist die Stimmung nach den ersten Hochrechnungen natürlich himmelhochjauchzend. „Wir hatten schon im Wahlkampf den Eindruck, daß auch im Westen das inhaltliche Interesse an der PDS gestiegen ist“, sagt die Bremer Spitzenkandidatin Marina Stahmann. Besonders erfreut habe sie, daß die Rechten sowohl bei der Bundestagswahl, als auch bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gescheitert sind.

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