„Der Rainer“ hält sich für einen guten Mann

Rainer Körppen bestreitet die Ermordung von Jakub Fiszman. Vater und Sohn schoben sich ein Jahr lang die Schuld zu  ■ Von Heide Platen

Frankfurt (taz) – „Ich bin unschuldig. Ich habe den Fiszman nicht entführt!“ Das sagte der wegen Entführung und Mordes an dem vierzigjährigen Frankfurter Kaufmann Jakub Fiszman angeklagte Rainer Körppen auch am Tag seines Schlußworts in der vergangenen Woche vor laufenden Kameras. Fiszman war am 1. Oktober 1996 spätabends auf dem Parkplatz vor seiner Firma gekidnappt und erst am 19. Oktober nach wochenlanger Suche erschlagen in einem Waldstück im Taunus gefunden worden. Drei Tage zuvor waren Körppen und sein Sohn Sven verhaftet worden.

Der Prozeßtag begann mit einem seltsamen Tanz, wie schon sooft während der einjährigen Verhandlung vor der 14. Großen Strafkammer des Frankfurter Landgerichts. Der wegen Beihilfe mitangeklagte Sven Körppen (28) vermeidet jeden Blickkontakt mit dem Vater. Beide betreten den Saal 165 C in Handschellen gefesselt, wenden sich synchron voneinander ab und drehen sich den Rücken zu.

Rainer Körppen ist ein Phänomen, das im Zuhörer Grauen erzeugt. Sein Fall ist einmalig in der bundesdeutschen Kriminalgeschichte. Er ist in Frankfurt nicht nur des Mordes an Fiszman angeklagt, sondern auch einer zweiten Entführung. Im Januar 1991, so die Anklage, war die Familie Fiszman schon einmal sein Opfer geworden. Damals waren in Köln zwei Kinder entführt und drei Tage später wieder freigelassen worden.

Entführungen sind Verbrechen mit tödlichen Risiko für die Opfer, mit hoher Aufklärungsrate und schweren Strafen. Körppen beging diese Straftaten möglicherweise nicht nur zwei-, sondern dreimal. So jedenfalls wird es sich darstellen, wenn er auch in einem weiteren Prozeß in Darmstadt verurteilt werden wird. Dabei wird es um die Entführung eines Fleischgroßhändlers gehen. Für dessen Freilassung waren 1993 zwei Millionen Mark Lösegeld gezahlt worden. Rainer Körppen beteuerte immer wieder seine Unschuld und klagte seinen Sohn Sven an, ihn aus Haß falsch beschuldigt zu haben.

Rainer Körppen hat es seinen Richtern ein Jahr lang schwer gemacht, auch nur den geringsten mildernden Umstand im Fall Jakub Fiszman zu entdecken. Fast unmöglich scheint es, ihn nicht als notorischen und gemeingefährlichen Schwerkriminellen lebenslang hinter Gitter zu schicken. Rainer Körppen, sagten Prozeßbeobachter an jedem nervenzerrenden Verhandlungstag, „lügt, daß sich die Balken biegen“. Daß dies das gute Recht eines jeden Angeklagten ist, machte die Selbstdarstellung des gelernten Malermeisters nicht erträglicher.

Rainer Körppen, immer gepflegt, mit gestutztem grauschwarzem Bart, immer aufmerksam, servil und aggressiv zugleich, spielte seine Rolle bis zum Schlußwort. In seinem privaten Lebensdrehbuch nennt er sich selbst „den Rainer“, und der ist ein ganzer Mann, mit verzeihlichen Fehlern vielleicht, aber aufrecht. „Der Rainer“ stellt sich nicht in Frage, nicht als guter Mensch und Ehemann, nicht als treusorgender Familienvater, und nun ist er der aufopfernde Märtyrer, der bereit ist, für seinen Sohn ins Gefängnis zu gehen.

Nicht er habe Jakub Fiszman entführt, im Wald erschlagen und nach dessen Tod das Lösegeld kassiert, so Körppen. All dies habe sein Sohn Sven getan, zusammen mit unbekannten Dritten. Mögliche Täter lieferte er immer wieder gleich im Dutzend mit, ehemalige Mitarbeiter, Nachbarn, Freunde und Bekannte gerieten unter Verdacht. Der erdrückenden Fülle der Indizien begegnete er mit stoischer Ignoranz und verblüffte selbst seine Verteidigung mit langen, umständlichen Erklärungen darüber, wie Blutspritzer von Jakub Fiszmann ausgerechnet in seine Garage kamen, warum Speichelreste des Opfers an einer in seinem Haus sichergestellten Wasserflasche gefunden worden waren, warum eine von ihm gerauchte Zigarettenkippe im Entführungsauto lag, warum das Lösegeld im Garten seiner Eltern versteckt war.

Körppen, so die Anklage, habe die Tage nach der Ermordung Fiszmans, der Übergabe von vier Millionen Lösegeld und seiner Festnahme genutzt, um akribisch Spuren zu beseitigen. Er habe dies eben nicht gründlich genug getan. Rechtsanwalt Ulrich Endres, Verteidiger von Sven Körppen, griff diese Tatsache mit theatralischer Geste auf. Er ging Rainer Körppen persönlich an: „Sie sind auf dem Stand der Kriminaltechnik von vor zehn Jahren stehengeblieben.“ Und: „Sie sind ein Feigling!“

Rainer Körppen und seine Verteidigung nutzten vor allem Schlampereien des Landeskriminalamts. Das hatte einen von Rainer Körppen zur Umrüstung in ein Fachgeschäft gegebenen Computer sichergestellt und es nicht geschafft, die Erpresserbriefe auf der Festplatte zu sichern. Erst der externe Sachverständige Rainer d'Arcy restaurierte 500 Dateien und fand einschlägige Texte. Rechtsanwalt Hans- Wolfgang Euler forderte dennoch Freispruch von der Mordanklage, verzichtete allerdings darauf, zu behaupten, sein Mandant habe auch mit den Entführungen rein gar nichts zu tun. Er glaube allerdings, daß Dritte an den Taten beteiligt gewesen seien.

Rainer Körppen und seine Verteidiger hatten auch das zu schnelle Vertrauen der Staatsanwaltschaft in die manchmal widersprüchlichen Aussagen von Sven Körppen über den Tathergang genutzt. Der hatte gestanden, bei der Entführung geholfen zu haben. Er sei aber nur immer der Fahrer gewesen. Mit dem Mord habe er nichts zu tun. Er sei sich sicher gewesen, daß sein Vater das Opfer Fiszman im Wald nur in ein neues Versteck bringe.

Sven Körppen, in Körpersprache und Gestik seinem Vater verblüffend ähnlich, ließ sich vor allem durch seine Rechtsanwälte als den abhängigen Sohn darstellen, der nur aus Angst und Respekt vor dem übermächtigen Vater zur Mithilfe bereit gewesen sei. Das wollte ihm vor allem die Nebenklage nicht glauben und forderte für ihn ebenfalls lebenslängliche Haftstrafe. Das Urteil wird am Donnerstag erwartet.