Kommentar
: Die Quittung

■ Die beiden Volksparteien waren beim Volksentscheid zu lange zu zögerlich

Am Ergebnis des Volksentscheids zum Volksentscheid gibt es nichts schönzureden: Über eine halbe Million HamburgerInnen wollen einen erleichterten Zugang zur direkten Demokratie. Die beiden Volksparteien sollten sich angesichts dieses eindeutigen Votums nicht damit herausreden, daß auch 420.000 Menschen ihre Stimme für eine moderate Lösung abgegeben haben – verloren ist verloren.

Ebensowenig zählt das Argument, daß viele das komplizierte Verfahren wohl gar nicht so recht verstanden hätten und „Mehr Demokratie“ den Anschein erweckte, es gebe noch gar keine Volksgesetzgebung in Hamburg. Das mag zwar stimmen, doch WählerInnen haben eines auf jeden Fall richtig erkannt: Sehr lange war SPD und CDU die direkte Mitbestimmung äußerst suspekt. Erst 1996 wurde überhaupt – und gegen erhebliche Widerstände – in Hamburg eine Volksgesetzgebung eingeführt.

Auch als „Mehr Demokratie“ anfing, den Volksentscheid auf den Weg zu bringen, gab man sich zuversichtlich, daß es schon nicht klappen würde und ignorierte das Verfahren. Selbst als man sich vor drei Monaten damit befassen mußte und redlich stritt, war man nur halbherzig bei der Sache.

Die großen Parteien wären gut beraten, gegen den Eindruck anzukämpfen, das Volk sei den Parteien im Zweifelsfall eher lästig. Der Entwurf der Bürgerschaft war nicht schlecht, doch keiner hat sich die Mühe gemacht, für ihn effektiv zu werben. Das Abstimmungsergebnis ist deshalb vor allem die Quittung für eine allzu arrogante Haltung. Silke Mertins