Ein Stück weit irgendwie okay

■ Jochen Bonz und Martin Büsser lasen im Schlachthof aus Büchern über Musik

Wie wichtig ist eigentlich Musik? Die meisten Leute wollen nicht ohne sie leben, was wiederum die Existenzgrundlage für einen nicht ganz unbedeutenden Industriezweig ist. Musik soll aber noch mehr sein als eine gut verkäufliche Ware, zu der man auch mal tanzen kann. Manche Leute schreiben ganze Bücher, in denen sie sich mit einem vermuteten subversiven Potential bestimmter musikalischer Minderheitskulturen beschäftigen. Der Tanzboden als Hort der Gleichheit, Punkrock als Protest gegen bürgerliche Lebensformen, Hardcore als Versuch, kulturindustrielle Vermarktungsmechanismen mit Do-It-Yourself-Strategien zu überwinden.

Am Wochenende weilten zwei Menschen in der Kesselhalle im Schlachthof, die sich auf Bücherlänge dem geliebten Objekt nähern. Der eine war der Mainzer Martin Büsser, Autor eines Buches über Aufstieg und Fall von Punk/Hardcore und eines weiteren mit Namen „Antipop“, Herausgeber des Periodikums „Testcard“ und Autor beim „Trust“-Fanzine. Der zweite hieß Jochen Bonz, der gerade sein Buch „Meinecke Mayer Musik erzählt“ (wie Büsser im Dreieck-Verlag) veröffentlicht hat und sonst auch schon mal für das „Intro“ schreibt.

Letzterer eröffnete, las fragmentarisch aus seinem Buch, das sowieso schon nicht sonderlich stringent angelegt ist. In ihm geht es um Zitatpop, Techno, Dekonstruktion, Nick Hornby und vieles andere, was auf frei assoziierende Weise aneinander geheftet wird, daß Zusammenhänge nicht immer leicht ausgemacht werden können. Deutlich wird bei Bonz Vortrag nicht sehr viel mehr als seine Liebe zum Objekt und die Hoffnung, daß die Leute, die das gleiche Objekt verehren, schon „irgendwie okay“ sind. Das sonst nicht viel klar wird, ist nur zum Teil technischen Problemen bei der elektrischen Verstärkung seiner Worte geschuldet. „Schließlich darf es bei der Beschreibung einer im Zusammenhang mit Geschichten und Zitaten stehenden Konfusion nicht nur um das Erzählen von Geschichten, es muß auch – ein Stück weit zumindest – um die Inszenierung dieser Unklarheiten gehen“, heißt es im Vorwort von „Meinecke Mayer ...“. Nicht also das Konfuse zur Verständigung zu durchdringen, sondern es einfach zu reproduzieren, zumindest ein Stück weit ... Ja nun, wer's mag.

Martin Büsser ist zur Zeit für zwei Wochen unterwegs, um aus „Antipop“ zu lesen. Büsser ist eher darauf erpicht, verstanden zu werden. Auch wenn er, wie Bonz, Namen wie Deleuze und Foucault zu droppen weiß. Auch der philosophisch unkundige Hörer bekommt es unverblümt. „Ernsthaftes Schreiben über Popmusik nämlich muß mehr denn je zur Kulturkritik und schlimmstenfalls zur Polemik verkommen, zum pessimistischen Gehämmer gegen einen Kapitalismus, der ausgerechnet in der Übernahme alter subkultureller Ästhetik und Strategie einen neuen Triumph feiert.“ Da weiß einer zumindest, wo der Feind steht. Natürlich liebt auch Büsser Popmusik, sonst würde er nicht soviel Zeit damit verbringen, seine Idiosynkrasien aufzuschreiben. Dabei kommen dann durchaus auch amüsante Texte heraus, in denen er Plattensammler, Henry Rollins und Phil Collins seziert. Derlei kurzweilige Geschichtchen machten den Hauptteil seiner Lesung aus.

Die vierzig Gäste dankten es mit freundlichem Applaus.

Wie wichtig ist eigentlich das Schreiben über Musik? Eine Menge Leute scheinen ohne ganz gut zurechtzukommen, was wiederum die Existenzgrundlage einer hippen Bohème ist. Getanzt wurde hier höchstens theoretisch. Aber das kann durchaus auch Spaß machen, wie Martin Büssers Einlassungen zeigten. Andreas Schnell