■ Chance 2000
: Schlingensief wird nicht Bundeskanzler

Chance verpaßt. Christoph Schlingensief, Direktkandidat der Partei „Chance 2000“ am Prenzlauer Berg und selbsternannter Anwärter auf das Bundeskanzleramt, ist nur auf dem zwölften Platz gelandet. Immerhin gaben 3.195 Wähler, 0,2 Prozent, dem Theatermacher und Newcomer ihre Erststimme. Für die Partei setzten sogar 5.168 Anhänger ihr Zweitkreuzchen, ganze 0,3 Prozent: Chance 2000 hoch im Kurs, Schlingensief im Abwärtstrend? Der Meister und seine Chancisten schweigen sich beharrlich aus, am Tag nach der Wahl meldet sich nur der Anrufbeantworter.

Das verwundert nicht, lautete doch das Motto der Wahlkampfparty am Sonntag abend in der Volksbühne: „Die Ursache liegt in der Zukunft.“ Auch hier verweigerte Chance 2000 jeden (Wahlparty-)Dialog im üblichen Sinne: Um 18 Uhr, kurz bevor die ersten Prognosen eintrafen, schlug Schlingensief mit einer Axt das Übertragungskabel durch, die riesige Leinwand in der vollbesetzten Volksbühne wurde dunkel. Schlingensief im Rennfahrerdreß und der Schauspieler Bernhard Schütz tanzten zu Techno über die Bühne: „Wir sind befreit, wir leben!“ Sie fordern die Köpfe von Kohl, Schröder, Gysi und Fischer. Ein hessischer Kandidat von Chance 2000 bringt's auf den Punkt: „Zu Gerhard Schröder haben wir auch nicht viel zu sagen.“

Doch insgesamt blieb das Vorbeischau-Programm lau. Jürgen Kuttner, Ex-ORB-Moderator, rattert seine Sätze, Schlingensief beschwört Ost-West-Einheit: In der DDR hätte man weiße Flecken unter den Nägeln gehabt – doch im Westen sei man trotz „Fitamine“ auch nicht glücklich gewesen. Er habe die „Revolutioon“ von 89 dieses Jahr wiederholen wollen. Und „wenn das Ziel explodiert, geht der Weg trotzdem weiter.“

Wäre nicht eine Akrobatin gewesen, die vor dem Chance-2000- Logo auf dem Seil balanciert, der Abend hätte gefloppt. Nicht Egon Krenz, der bleichgesichtig zur Kommunalwahl am 7. Mai 1989 gratuliert, oder andere Parodisten schrecken. Man hat sich eben mal getroffen – und bricht dann zu den anderen Wahlparties auf. Chance verpaßt. Isabel Fannrich