Die Proteste in Malaysia gehen weiter

■ In Kuala Lumpur gründen unterschiedlichste Oppositionsgruppen Bündnisse gegen den autokratischen Ministerpräsidenten Mahathir

Kuala Lumpur (taz) – „Es lebe Anwar!“ und „Reformen!“ riefen die 150 Demonstranten, die sich gestern abend beim Freiheitsplatz im Zentrum Kuala Lumpurs versammelten. Die Gruppe forderte die Freilassung des inhaftierten früheren Vizepremiers Anwar Ibrahim und den Rücktritt von Regierungschef Mahathir Mohamad. Hunderte Passanten schauten zu. Als die zahlreichen Zivilpolizisten mit gelben Bändchen am Arm einzelne Demonstranten aus der Menge griffen, buhte das Publikum. Wasserwerfer fuhren auf. Im nahen Polizeiquartier wird möglicherweise der am 20. September nach dem berüchtigten „Internen Sicherheitsgesetz“ (ISA) verhaftete Anwar festgehalten.

Kein Tag vergeht derzeit in der malaysischen Hauptstadt ohne Proteste gegen den 73jährigen Mahathir, der seit 1981 an der Macht ist. Die Opposition wächst. Sonntag nacht waren mehr als 10.000 MalaysierInnen dem Aufruf von 17 Oppostionsparteien und Bürgerrechtsgruppen gefolgt, sich vor der Zentrale der islamistischen „Pan-Malaysischen Islampartei“ (PAS) zehn Kilometer außerhalb der Haupstadt zu versammeln. Sie drängten sich in der Moschee und auf dem Vorplatz und hörten, wie die Organisatoren den Rücktritt des Regierungschefs forderten.

Es war die größte Kundgebung, seit ein Wochenende zuvor über 30.000 Menschen Anwars Aufruf gefolgt waren und im Zentrum der Hauptstadt für Reformen demonstriert hatten. Jetzt haben die Regierungskritiker zwei breit gefächerte Bündnisse gegründet: In der „Koalition für eine Demokratie des Volkes“ sind neben den drei kleinen Oppositionsparteien vor allem Menschenrechts- und Bürgergruppen vertreten. Im „Rat der Malaysischen Volksbewegung für Gerechtigkeit“, der sich am Abend in der PAS-Zentrale versammelte, sind vor allem muslimische Organisationen präsent.

Gemeinsames Ziel sind politische Reformen, ein Ende der Mahathir-Regierung und die Abschaffung des verhaßten Sicherheitsgesetzes ISA. Es erlaubt Behörden, Oppositionelle ohne richterlichen Haftbefehl auf unbestimmte Zeit und ohne Kontakt zur Außenwelt festzuhalten. Wie Anwar waren in den letzten Tagen auch 13 seiner politischen Freunde nach dem ISA verhaftet worden. Viele Oppositionelle waren früher selbst unter dem ISA inhaftiert.

Der Zorn über Mahathir, der seinen früheren Stellvertreter Anwar mit der Begründung feuerte, der habe homosexuelle Beziehungen, vereint ganz unterschiedliche Organisationen, die bislang nie zusammenarbeiteten: fundamentalistische Muslime ebenso wie Vertreter der chinesischen Minderheit und der kleinen „Sozialistischen Partei“ Malaysias. Jutta Lietsch