■ Die PDS gewinnt – sie ist über Nacht aber nicht anders geworden
: Eine etablierte Partei

Totgesagte leben länger. Auf diese einfache Formel läßt sich ein wesentlicher Teil des überraschenden Erfolgs der PDS reduzieren. Seit 1990 wurde die PDS hundertfach für überholt erklärt, für nicht überlebensfähig, für tot – acht Jahre nach dem Ende der DDR jedoch steht die Ostpartei besser da als je zuvor. Dieses Ergebnis hatte ihr kaum jemand zugetraut, nicht einmal sie selbst, und sie verdankt diesen Erfolg vor allem ihrem trotzigen Behauptungswillen. Die PDS lebt! Dieser befreiende Ruf reicht den Sozialisten immer noch als Antwort auf ihre Kritiker. Das zeigt an, wie leicht es der Partei eigentlich gemacht wird, ein Wahlergebnis, das die PDS-Reformer als Minimalziel ausgegeben hatten, als grandiosen Sieg zu feiern.

Aber was heißt das schon: Die PDS lebt? Ist sie jetzt eine bundesweite sozialistische Partei? Ist sie eine etablierte linke Partei? Oder ist sie das, was sie immer war: ein politischer Gemischtwarenladen, mehr Milieu als Partei, im ständigen Spagat zwischen radikaler gesellschaftlicher Opposition und dem Wunsch, endlich mitregieren zu können, alles mögliche eben, nur nicht links?

Das Bundestagswahlergebnis hat aus der PDS über Nacht keine andere Partei gemacht. Sie lebt nach wie vor von ihrem Potential im Osten. Im Westen hat die PDS kaum Stimmen hinzugewonnen, dort ist sie politisch, personell und organisatorisch nach wie vor eine Splittergruppe. Und die Aussicht, in Mecklenburg- Vorpommern zum ersten Mal nach der Wiedervereinigung mitregieren zu können, wird die innerparteilichen Auseinandersetzungen verschärfen. Die PDS als Regierungspartei, die drauf und dran ist, die CDU als zweitstärkste Partei im Osten zu beerben, muß in Zukunft als etabliert gelten. Ihr wird es schwerfallen, das gesellschaftliche Protestpotential – ob von links oder, national gefärbt, von rechts – weiterhin zu binden.

Dennoch läßt das Wahlergebnis die PDS hoffen. Als einzige linke Oppositionspartei gegen eine rot- grüne Regierung ist sie ein potentielles Auffangbecken für enttäuschte Grüne und Sozialdemokraten. Das könnte ihr im Westen, bei aller Unattraktivität und organisatorischen Schwäche, einen Neuanfang ermöglichen. Vorerst bleibt die PDS also eine ostdeutsche Regionalpartei – aber eine, die stets darauf verweisen kann, daß eine westdeutsche Regionalpartei, die nur 1,5 Prozent der Stimmen mehr als sie gewonnen hat, in Bonn in der Regierung sitzt. Das wird so manchem reichen, die PDS zu einer bundesweiten Partei zu stilisieren. Jens König