"Kein Grund auszuwandern"

■ Die Industrie- und Handelskammer werde auch mit einer rot-grünen Bundesregierung klarkommen, meint Präsident Werner Gegenbauer. Möglicher Rückenwind für einen Regierungswechsel an der Spree

taz: Gefällt Ihnen als oberstem Vertreter der Berliner Wirtschaft die Aussicht, bald mit einer rot- grünen Bundesregierung leben zu müssen?

Werner Gegenbauer: SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder hat den Wählerauftrag, eine Regierung zu bilden. Das soll er auch tun.

Wäre Ihnen die große Koalition lieber?

Nein, dann hat man keine Opposition mehr. Eine klare Entscheidung dient allen. Im Endeffekt geht es darum, daß die Wirtschaft ihre Anliegen mit jeder Regierung diskutieren kann und muß. Wenn Gerhard Schröder seine Wahlkampfankündigungen zur Modernisierung der Wirtschaft auch erfüllt, werden wir damit klarkommen.

Schröder hat schon angekündigt, einige Maßnahmen der Kohl- Regierung wieder zurückzunehmen. Welche Befürchtungen hegen Sie?

Ich bin gegen die Wiedereinführung der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Man muß die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung billiger machen, nicht teurer. Aber kein Wahlergebnis kann ein Grund sein, auszuwandern.

Was bedeutet dieses Ergebnis für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 1999?

Ich hoffe, daß die Große Koalition im nächsten Jahr auch weiterhin eine vernünftige Arbeit abliefert.

Die SPD wird selbstbewußter, und Teile der Partei könnten auf die Idee kommen, die Koalition mit den Christdemokraten in Frage zu stellen.

Die beiden Parteien brauchen sicherlich größere Disziplin, damit sie ihre Ziele bis zum Wahltag noch erreichen. Das wird nicht einfacher als heute.

Sehen Sie im Ergebnis der Bundestagswahl einen möglichen Rückenwind für die rot-grüne Koalition in Berlin 1999?

Wenn die Bonner erfolgreich arbeiten, ja. Interview: Hannes Koch