„Dilettantisches Lehrstellenprojekt“

■ Gewerkschaft kritisiert „unausgegorene“ Maßnahme, mit der Senatorin Bergmann 8.000 Jugendlichen Lehrstellen verschaffen will

Das noch kurz vor der Wahl von SPD-Arbeitssenatorin Christine Bergmann angeschobene Ausbildungsprogramm für zunächst 3.000 Berliner Jugendliche sei „unausgegoren“. Das bemängelte gestern Bernd Rissmann, Vizechef des Berliner DGB. Wenige Tage vor Beginn der praktischen Ausbildung sei noch nicht klar, welche Betriebe sich der Jugendlichen annehmen, so Rissmann.

Eigentlich sollte das Programm zum 1. Oktober beginnen. Jugendlichen ohne Lehrstelle wollte der Senat eine neuartige, staatlich geförderte Ausbildungsmöglichkeit bieten. Den Zuschlag für die gesamte Maßnahme bekam das Bildungswerk der Wirtschaft, ein Ableger der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg. Wie die taz bereits vor drei Wochen berichtete, ist der enge Zeitplan jedoch kaum einzuhalten.

So geht DGB-Vize Rissmann nun davon aus, daß „weder die Bildungsträger des fachpraktischen Teils noch deren Standorte bisher feststehen“. Im Klartext: Die Azubis in spe wären einstweilen auf den traditonellen theoretischen Unterricht an den Oberstufenzentren angewiesen. Die praktischen Teile der Ausbildung würden ausfallen. Gerade in einer neuartigen Kombination von Theorie und Praxis über die Dauer von vier Jahren sah die Arbeitsenatorin jedoch einen entscheidenden Vorteil des Programms gegenüber den üblichen Warteschleifen, bei denen die verhinderten Azubis bloß die Schulbank drücken. Das Projekt EWA („Erfolgreiche Wege zur Ausbildung“) werde also „dilettantisch gehandhabt“, erklärte Rissmann.

Uwe Schulz-Hofen von der Senatsarbeitsverwaltung räumte zwar „Anlaufschwierigkeiten“ ein. Doch die seien bei einer Maßnahme dieser Größenordnung normal und würden „überwunden“. Schulz-Hofen sagte, daß die benötigten Plätze für die Ausbildung bei Wirtschaftsunternehmen oder Verbänden wie der Fachgemeinschaft Bau bald „zur Verfügung stehen“. In den Werkstätten von Betrieben und Bildungsträgern sollen die Jugendlichen eine „modulare“ Ausbildung erhalten. Die Berufsausbildung wird damit in mehrere Abschnitte zerlegt und auf diese Art europaweit vergleichbar gemacht.

Das von Arbeitsenatorin Bergmann und SPD-Schulsenatorin Ingrid Stahmer gemeinsam konzipierte Projekt soll in den kommenden Jahren insgesamt 8.000 Jugendliche versorgen. Es wird mit rund 28 Millionen Mark finanziert, die vor allem aus den Töpfen der Europäischen Union fließen.

Die Arbeitsämter des Landes haben sich mit 84 ABM-Stellen beteiligt. Einige Arbeitslose, die sich in den vergangenen Wochen bewarben, hatten allerdings keinen guten Eindruck von der Organisationsfähigkeit der GmbH, die das Projekt für das Bildungswerk der Wirtschaft abwickeln soll. Mehrere Bewerber verzichteten auf die angebotenen ABM-Stellen, weil völlig unklar gewesen sein soll, welche Aufgaben sie zu erledigen hatten. Hannes Koch