■ SommerSchule
: Rot-grüne Chance

In der SommerSchule diskutieren LeserInnen die Zukunft von Schule und Hochschule

Endlich ist der Weg frei! Mit Rot-Grün im Bund und der SPD-Mehrheit im Bundesrat können umfassende Reformen eingeleitet werden. Was sich allerdings in den Programmen von SPD und Grünen noch wie eine goldene Verheißung liest, schrumpft im 100-Tage-Programm auf die Rubrik „ferner liefen“ zusammen. Der von Gerhard Schröder angekündigte „Generationswechsel“ wird sich jedoch daran messen lassen müssen, ob er für die Jungen mehr zu bieten hat als die Kohl-Regierung. Daher drei Vorschläge für 100 Tage:

1. Studienfinanzierung: 16 Jahre Kohl haben das Bafög zu einer Lachnummer gemacht, eine Reform ist längst überfällig. Auf Länderebene ist man sich einig: Alle bisherigen ausbildungsbezogenen staatlichen Leistungen und Steuervergünstigungen werden zusammengefaßt zu einer elternunabhängigen Grundförderung für alle Studierenden. Ergänzt wird diese durch eine bedarfsorientierte Zusatzförderung – die rückzahlbar ist. Kann man nur hoffen, daß die Bündnisgrünen ihr „BAFF-Konzept“ – eine Art von hinten durch die Brust ins Auge aufgezäumter Rentenkasse für AkademikerInnen – nicht plötzlich als profilbildendes programmatisches Essential entdecken.

2. Personalstruktur: Nicht nur um den Verdacht zu entkräften, Rot-Grün sei ein Bündnis des öffentlichen Dienstes mit sich selbst, muß die Reform der Personalstruktur der Hochschulen schnell vorangetrieben werden. Die Abschaffung des Beamtenstatus der ProfessorInnen wäre ein erster Schritt, über den parteiübergreifend längst Einigkeit besteht. Mit Verhandlungen darüber, wie eine leistungsorientierte und von Evaluationen abhängige Entlohnung aussehen könnte, sowie mit der Einführung intelligenter Laufbahnmodelle für (Nachwuchs-)WissenschaftlerInnen könnte man der ÖTV schon in der nächsten Tarifrunde Dampf machen.

3. Hochschulfinanzierung: Die Hochschulen sind bekanntermaßen chronisch unterfinanziert. Beide Regierungsparteien versprechen, das zu ändern. Beide haben in den Ländern – die Grünen etwa in Hessen und Lafontaine im Saarland – jedoch auch schon bewiesen, daß sie im Zweifel die härteren Sparkommissare stellen. Daß es auch anders geht, beweist ausgerechnet Bayern, das ein für deutsche Verhältnisse gigantisches Investitionsprogramm für den Hochschulsektor aufgelegt hat. Ein Hochschulsonderprogramm, wie es zuletzt 1989 durch studentische Proteste dem Bildungsminister Möllemann abgetrotzt wurde, ist deshalb das mindeste, was von Rot- Grün erwartet werden muß.

Die Wunschliste für Reformen an den Hochschulen wäre natürlich länger: Die innere Verfaßtheit in Richtung demokratischer Selbststeuerung verändern, Studium und Lehre reformieren, die Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft bekämpfen, den internationalen Austausch verstärken, Wissenstransfer in die Gesellschaft möglich machen, lebenslanges Lernen in die Hochschulen bringen, die Rechte der Studierendenvertretungen sichern – das alles sollten rot-grüne Inhalte sein.

Die Eckpunkte für 100 Tage könnten die Glaubwürdigkeit der Hochschulpolitik zurückgewinnen und die Menschen an den Hochschulen für Reformen begeistern. Nicht alle Wünsche werden sich erfüllen, aber Gerhard Schröder ist ja auch nicht der Weihnachtsmann. Und Joschka schon gar nicht... Bernd Bender

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin. Beiträge an Bildung@taz.de