Bill Clinton empfängt Jassir Arafat und Benjamin Netanjahu im Weißen Haus

■ Der US-Präsident will den Nahost-Friedensprozeß wieder in Gang bringen. Ein neues Gipfeltreffen ist für die erste Oktoberwoche geplant

Jerusalem (taz) – Palästinenserpräsident Jassir Arafat ist gestern erneut von US-Präsident Bill Clinton im Weißen Haus empfangen worden. Die US-Regierung unterstrich damit ihre Bemühung, den Friedensprozeß im Nahen Osten wieder in Gang zu bringen. Clinton, Arafat und und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu waren zuvor zu mehreren Gesprächsrunden zusammengekommen. Clinton erklärte anschließend im Beisein von Arafat und Netanjahu, daß er die nahöstlichen Kontrahenten zu einem Gipfeltreffen Mitte Oktober nach Washington eingeladen habe. Dort soll in Anlehnung an die Camp- David-Verhandlungen vor 20 Jahren eine Übereinkunft über den nächsten israelischen Teilrückzug und die israelischen Sicherheitsforderungen geschlossen werden.

Der Gipfel ist auf mehrere Tage angesetzt. Alle drei Parteien werden ihre Expertenteams mitbringen. Clinton gab sich gestern optimistisch: „Wir haben einen nennenswerten Fortschritt auf dem Weg zum Frieden erzielt, und ich glaube, wir können Mitte Oktober ein Abkommen erzielen.“ Wie vorher vereinbart, gaben weder Arafat noch Netanjahu eine Erklärung ab. Clinton räumte allerdings ein, daß „noch einiges an Arbeit“ zu tun sei. Beobachter vermuteten gestern, daß Clinton vor den Kongreßwahlen im November einen außenpolitischen Erfolg vorzeigen will, um sein angeschlagenes Image aufpolieren zu können. Während Netanjahu vor seiner Abreise aus den USA, wie schon in den vergangenen Wochen, von einer neuerlichen Annäherung sprach, gaben sich palästinensische Delegationsmitglieder zurückhaltender. „Außenminister“ Nabil Schaath erklärte lediglich, er hoffe, daß die US-Bemühungen einen Durchbruch bringen würden. Arafat sagte später, Clinton habe einen „bedeutenden Schritt getan, um den Friedensprozeß zu retten“.

US-Außenministerin Madeleine Albright und Clintons Nahost-Unterhändler Dennis Ross werden Anfang Oktober in den Nahen Osten reisen, um den Gipfel vorzubereiten. Grundlage des Treffens soll ein Dokument sein, das dann von den Führern nur noch abgesegnet werden muß.

„Das Rascheln im Friedensprozeß“, von dem die New York Times gestern sprach, veranlaßte Arafat anscheinend dazu, in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung Dienstag nacht auf die angekündigte Erklärung zu verzichten, mit Ablauf der Interimsperiode im Mai kommenden Jahres einseitig einen palästinensischen Staat zu proklamieren. Allerdings forderte Arafat Frieden und Freiheit für die Palästinenser und die Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung in einem palästinensischen Staat.

Die Araber in Israel traten gestern in einen eintägigen Generalstreik. Grund des Protestes sind zweitägige heftige Auseinandersetzungen in der arabischen Stadt Um al-Fahim in Galiläa. Mehr als ein Dutzend Polizisten und Demonstranten wurden verletzt, etliche Palästinenser festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas und Stahlgeschosse ein. Die Demonstranten errichteten Barrikaden und bewarfen die Polizisten mit Steinen. Anlaß der Straßenschlachten war die Beschlagnahme von mehr als 500.000 Quadratmetern privaten arabischen Bodens für ein Übungsgelände der israelischen Armee. Die Palästinenser befürchten, daß dieses Land später an den Jüdischen Nationalfonds abgetreten und zum Bau einer jüdischen Siedlung verwendet wird. Georg Baltissen