Verhandlungsmasse

Atomwirtschaft: Die wohl härteste Nuß zwischen Grünen und SPD. Wie schnell wird der „Einstieg in den Ausstieg“ angegangen? So schnell wie möglich, sagt Schröder und hat wiederholt 20 bis 25 Jahre als Szenario genannt. Die Grünen sprechen allgemein von zwei Legislaturperioden.

Immigranten: Zentraler Knackpunkt wird die Frage nach einem Einwanderungsgesetz sein. Die SPD will die Zuwanderung steuern, ihr Schatteninnenminister Otto Schily hat wiederholt erklärt, eine Zuwanderung sei derzeit aus ökonomischen und sozialen Gründen nicht möglich. Dagegen wollen die Grünen Einwanderung durch Quotenregelung. Ausgeräumt werden müssen auch Differenzen bei der doppelten Staatsbürgerschaft: Nach SPD-Vorstellung sind Kinder, deren Mutter oder Vater in Deutschland geboren wurden, automatisch Deutsche ab Geburt. Die Grünen wollen hingegen ein Recht auf einen deutschen Paß schon für Kinder, von denen mindestens ein Elternteil „dauerhaft“ hier lebt. Einen Anspruch auf Einbürgerung will die SPD nach 8 Jahren, die Grünen nach 5 Jahren.

Innere Sicherheit: Ein Feld, auf dem es hart zugehen könnte. Der designierte SPD-Innenminister Otto Schily hatte schon vor der Wahl geunkt, glücklicherweise sei der Große Lauschangriff schon verabschiedet worden. Eine Aufhebung der Ausnahmeklauseln für Berufsgruppen – unter anderem Ärzte, Journalisten, Anwälte – gilt als wenig wahrscheinlich. Dies hatte Schily wenige Tage vor der Wahl abgelehnt. Kaum Schwierigkeiten dürfte es beim Thema kontrollierte Heroinabgabe geben: Die SPD will einen Modellversuch, die Grünen wollen sie gleich umsetzen. Hier ist die Chance für einen Kompromiß also sehr groß. Probleme machen dürften dagegen: Die Grünen sind für eine Legalisierung von Haschisch mit Schutzvorschriften für Jugendliche, ähnlich wie bei der Alkoholabgabe. Wohl kaum durchsetzbar ist ihre Forderung, die lebenslange Freiheitsstrafe abzuschaffen. Besonders pikant: Die von der SPD verkündete Abschiebung krimineller Ausländer. Dagegen wenden sich die Grünen. Auch umstritten ist die von Schröder wiederholt vorgebrachte Forderung nach Unterbringung krimineller Serienstraftäter in geschlossenen Jugendheimen. Das wird von den Grünen abgelehnt, aber auch von Teilen der SPD-Juristen.

Bildung: Beide Parteien sind gegen Studiengebühren, wollen mehr Autonomie für die Hochschulen und auch mehr Geld. Die SPD will den Bildungs- und Forschungsetat in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Strittig ist, ob Unternehmen bestraft werden, die nicht ausbilden. Die Ausbildungsplatzabgabe, im grünen Programm enthalten, ist auch SPD-Beschlußlage, doch wurde sie von Schröder immer wieder abgelehnt.

Renten: Die Forderung der SPD, die Kürzung des durchschnittlichen Rentennettoniveaus von 70 Prozent auf 64 Prozent wieder rückgängig zu machen, ist bei den Grünen umstritten. Zwar hat der grüne Haushaltsexperte Oswald Metzger eine solche Rücknahme vor Wochen noch kritisiert, doch gilt er in seiner Partei als Einzelgänger. Die Rentenexpertin der Fraktion, Andrea Fischer, hatte zwar in einem Papier eine Absenkung des Rentenniveaus auf 65 Prozent für „möglich“ gehalten – eine Formel, die auch eine Rücknahme der Rentenkürzungen einschließt. Insofern dürfte Spielraum bestehen, zumal unklar ist, ob die SPD nur die Absenkung für die Kleinstrenten will.

Verteidigung: Während sich die SPD klar zur Nato bekennt, wollen die Bündnisgrünen „langfristig“ aussteigen. Hier dürften die Grünen mit ihrer Kompromißformel kaum Schwierigkeiten machen. Eng mit außenpolitischen Fragen verwoben ist die Frage nach Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die Grünen wollen keine Bundeswehr als „internationale Interventionsarmee“ – dies muß aber nicht heißen, daß sie Bundeswehreinsätze im Rahmen von UN-Mandaten grundsätzlich ausschließen. Kompromißformeln könnte es auch bei der Frage der Wehrpflicht geben. Die Grünen sind für die Abschaffung, die SPD hält verringerte Dienstzeiten für möglich. Generell wollen beide Parteien die Truppe verkleinern, die SPD nennt keine Zahl, die Grünen 150.000 als Personalstärke.

Verkehr: Mit ihrer Forderung nach Tempo 100 auf Autobahnen lieferten einige Grüne im Wahlkampf Steilvorlagen für die SPD. Schröder lehnt dies ab. Zusammen käme man bei Tempo 30 in Ortschaften; hierfür sprechen sich beide Parteien aus. Strittig ist aber der Transrapid: Schröder ist dafür, die Grünen sind dagegen.

Steuern: Die Grünen wollen eine generelle Energiesteuererhöhung, um Lohnnebenkosten zu senken. Doch wie hoch könnte der Benzinpreis steigen? Maximal 50 Pfennig pro Liter Benzin wollen die Grünen im ersten Jahr drauflegen, dann 30 Pfennig in Folgejahren und als Ausgleich dafür die Kfz- Steuer abschaffen. Schröder hingegen nennt 6 Pfennig als Maximum.

Asyl: Eine „Wiederherstellung des Asylrechts“ wird es nicht geben. Dagegen steht nicht nur die SPD, auch Teile der Grünen haben davon Abschied genommen. SPD- Schatten-Innenminister Schily regte wiederholt eine europäische Regelung des Asylrechts an. Die Grünen wollen zumindest für Bürgerkriegsflüchtlinge das Asylrecht garantiert haben. Europäische Regelungen halten sie für richtig, aber nur dann, wenn sie nicht zur Einschränkung des Asylrechts führen. Severin Weiland