Schöner Pornoschock

■ Computer essen Körper auf: Warum das Landesamt für Informationstechnik die digital bearbeiteten anatomischen Abbildungen von Claudia Liekam mit Packpapier abgedeckt hat

Eine mit Computerdrucken arbeitende Künstlerin und das Hamburger Landesamt für Informationstechnik (LIT) – das paßt doch prima zusammen für eine Ausstellung. Und die Frage, warum die Banane krumm sei, ist ein passendes Thema für einen Digitalfilm in einem Schulungszentrum. Doch wenn dazu in gelber Farbe verfremdet mit blauem Etikett ein männliches Geschlechtsteil gezeigt wird, dann ist Schluß mit lustig, trotz Clinton-Witzen und der Allgegenwart von nacktem Fleisch in den Medien.

Der Film, in der erschreckenden Länge von dreizehn Sekunden, „kann nicht aufgeführt werden, ohne schwerwiegende Nachteile für ein Dienstleistungszentrum wie unseres zu bewirken“, hieß es aus der Leitung des kommerziell orientierten Landesbetriebes LIT.

Schon vorher waren anonym die Farbgrafiken „Der Schmetterling“, „Der Kokon“ und „Die Schlüpfung“, drei intime Einblicke in die menschliche Anatomie unter der Gürtellinie, mit Packpapier sorgfältig abgedeckt worden, und Gemurmel von pornografischer Provokation machte auf den Fluren die Runde. Dabei sind die gescannten Körperteile von Claudia Liekam so stark grafisch verfremdet, daß es richtig anstrengend ist, darin Pornografie zu erblicken, zumal meist eine Achselhöhle oder ein Bauchnabel Ausgangspunkt digitaler Verarbeitung sind. Der Künstlerin geht es in den aus oft über zwanzig Einzelblättern kombinierten Grafiken von Schultern, Brüsten oder Beinen um den Verweis auf eigene Körpergefühle und darum, das kalte technische Instrumentarium für sinnliche Blicke unter die Haut einzusetzen. Körperbilder wie Tomografien oder große Zellstrukturen: Das kann mehr nerven wie glatte Nakedeis.

“Solche Reaktionen sind eigentlich üblich, wo Kunst aus dem isolierten Ausstellungsraum in die öffentliche Halbprivatheit eines Alltagsumfelds tritt“, besänftigte Kunsthaus-Leiter Claus Mewes am Dienstag abend auf einem Abschlußgespräch im LIT, und alle waren sich einig, der kleine Skandal habe viel zur Diskussion beigetragen. Das LIT will auch in Zukunft wieder Kunst ausstellen und die Künstlerin weiter an sinnlichen Abbildern interessanter Körperstellen arbeiten. Und wieder war der in Schmutz und Schund versinkenden Welt nicht zu helfen, und die abgrundtiefe Sündhaftigkeit der Kunst blieb ein weiters Mal ungestraft.

Hajo Schiff

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