Tiefe Strudel bei den Wasserbetrieben

Die Tochterfirmen des Konzerns machen kräftige Verluste. Rote Zahlen besonders beim Entsorgungszentrum Schwarze Pumpe. Das könnte den geplanten Privatisierungserlös von zwei Milliarden Mark schmälern  ■ Von Mathew D. Rose

Auf dem Papier war alles schlüssig. Durch die Verwandlung der Berliner Eigenbetriebe – Stadtreinigung, Nahverkehr, Wasserversorgung, Hafen- und Lagerhausbetriebe – in Anstalten öffentlichen Rechts sollte ab 1994 ein neuer Wind durch die Stadt wehen. In die neue Führungsetage, so schrieb die damalige Gesetzesvorlage vor, sollte nur berufen werden, „wer nach Erfahrungen und Vorbildung zur Leitung der Anstalt geeignet ist“. Manager-Know- how statt Parteibuch lautete die Devise. Um am marktwirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen zu können, wurden der neuen Vorstandsgeneration auch der Spielraum eingeräumt, Kredite aufzunehmen, Investitionen außerhalb Berlins zu tätigen und ganze Betriebe aufzukaufen. Dieser großzügige Gestaltungsspielraum scheint dem Berliner Senat jetzt bei der geplanten Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) auf die Füße zu fallen.

Laut der Halbjahresergebnisse werden die in den vergangenen vier Jahren erworbenen Tochterbetriebe der BWB ein erhebliches Minus bescheren. Mit den negativen Bilanzen drohen auch der Landeskasse Verluste: Durch die Privatisierung erhoffte der Senat Erlöse von 2 Milliarden Mark. „Soviel zahlt niemand für das marode Unternehmen“, sagen Experten.

Der Löwenanteil an Verlusten verschuldet das Sekundärrohstoff- Verwertungszentrum Schwarze Pumpe GmbH (SVZ). Um das in der Nähe von Cottbus gelegene größte Tochterunternehmen zu sanieren, sei jetzt eine Spritze von 400 Millionen Mark nötig, heißt es in einem BWB-Papier. Das steht in krassem Gegensatz zu den Erklärungen von BWB-Vorstandsvorsitzendem Bertram Wieczorek. Der nämlich hatte für 1998 erstmals ein positives Jahresergebnis für das SVZ Schwarze Pumpe angekündigt. Daraus wurde nichts. Ursache: geringeres Müllaufkommen, Verzögerungen beim Ausbau der Anlage und ein radikaler Preisverfall für das aus der Müllverarbeitung gewonnene Methanol.

Auch bei der zweitgrößten BWB-Tochter, dem Essener Anlagenbauer SHW Hölter Wassertechnik GmbH, zeichnete sich ein Verlust ab. Schon der Erwerb von SHW für rund 146 Millionen Mark im vorigen Jahr wurde stark kritisiert. Die Transaktion wurde von der Barings Bank organisiert, die in einem Verkaufsmemorandum sehr optimistische Wirtschaftsdaten für SHW verkündete. Widersprüche freilich, etwa die hohen Gewinne bei kaum vorhandenen Aufträgen, waren schwer zu übersehen. Tatsächlich wies SHW im ersten Geschäftsjahr einen überraschend hohen Gewinn aus, was in der Branche für ein geschöntes Ergebnis gehalten wird. In diesem Jahr steht nun der optimistischen Prognose von 11 Millionen Mark Gewinn ein erwarteter Verlust von 400.000 Mark gegenüber.

Der Erwerb der Boran Bodenreinigungs GmbH (12,8 Millionen Mark) im Berliner Westhafen gemeinsam mit der Berliner Stadtreinigung hat sich ebenfalls zum Fiasko entwickelt. Im ersten Jahr soll die Anlage laut Schätzung der BWB 3 Millionen Mark Verluste einfahren. Nun wird versucht, die Boran-Anlage so schnell wie möglich loszuschlagen. Bis auf eine Auslandsbeteiligung in Ungarn rechnet die BWB mit keinem nennbaren Gewinn bei den Tochterbetrieben und Beteiligungen in diesem Jahr.

Die Ursache diese Malheurs: Der Senat hat seine eigenen Vorsätze mißachtet. Der Filz der Eigenbetriebe wurde nicht abgeschafft, sondern nur umgruppiert. BWB-Vorstandsvorsitzender Wieczorek (CDU) war in der Vorwendezeit Leiter einer Rehabilitationsklinik in der DDR. Die CDU- Blockflöte avancierte in der De- Maizière-Regierung zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Minister für Verteidigung und landete nach der Vereinigung als Staatssekretär beim Bundesumweltministerium. 1994 wurde er Chef der Wasserbetriebe.

BWB-intern heißt es, Wieczorek sei die treibende Kraft hinter der fehlgeschlagenen Expansionspolitik. Kräftige Unterstützung erhielt Wieczorek dabei von Staatssekretär Dieter Ernst. Dessen auffällige Einsätze für weitere Betriebskäufe der BWB wird auf seine Ambition auf eine Stelle bei den Wasserbetrieben zurückgeführt. Auch der BWB-Aufsichtsrat ähnelt teilweise eher einer politischen Versorgungsanstalt als einem kompetenten Kontrollgremium: Mitglieder sind unter anderem Detlef Stronk (CDU – früher Staatssekretär bei Bürgermeister Eberhard Diepgen), Jürgen Kriebel (SPD-Abgeordneter), Dietmar Otremba (Berliner Immobilienlöwe und CDU-Großspender).

Der Versuch, das SVZ Schwarze Pumpe über Mittel der Berliner Wassergebühren zu sanieren, stößt im Abgeordnetenhaus nun auf heftigen Widerstand bei Grünen und PDS. Das sei eine „unzulässige Subventionierung zu Lasten der Berliner Gebührenzahler“, monierte Harald Wolf, Haushaltsexperte der PDS. Nachdrücklich weist Wolf darauf hin, daß die abenteuerlichen Unternehmenskäufe den zu erwartenden Verkaufspreis für die BWB deutlich mindern würden.

Auch der Berliner Landesrechnungshof hat sich eingeschaltet. Dessen Präsident Horst Grysczyk prüft, „ob und in welchem Umfang aus Gewinnen der BWB deren Tochterunternehmen subventioniert werden können“. Eine Mehrheit im Aufsichtsrat der BWB sah sich Sitzung veranlaßt, die Notbremse zu ziehen. Eine Kapitalerhöhung für das SVZ Schwarze Pumpe soll erst gar nicht auf die Tagesordnung kommen, bis ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit sämtlicher BWB-Töchter im November auf dem Tisch liegt.