Zwiespältige Hymne

Du, Mama, hast mich geboren!

Dir verdanke ich zwei Ohren!

Dir verdanke ich zwei Augen!

Und wenn alle vier nichts taugen,

wenn ich taub bin und auch blind,

bin ich doch, Mama, dein Kind!

Und ich würd' dich, jede Wette,

küssen, wenn ich Lippen hätte,

würde dich umarmen, herzen,

würde köstlich mit dir scherzen,

wenn ich Arme hätte und

einen regulären Mund.

Und ich „sage“ dir das eine:

Wüchsen meine sieben Beine

etwa so wie meine Hände

links und rechts aus meiner Lende,

wär' mein Unterleib nicht oben

(gleich am Hals, nach links verschoben),

sondern wie bei andern auch

untendran am Unterbauch:

Ach, Mama, dann könnt' ich stehen,

könnte mal nach draußen gehen,

in die Einkaufszone laufen

und dir Toblerone kaufen!

Dies Gedicht hat dir dein Sohn

– aber „Sohn“, was heißt das schon? –

mit dem kleinen Zeh getippt

(und ist dann vom Stuhl gekippt).

Thomas Gsella