■ Koalitionsverhandlungen zwischen Rot und Grün gefährdet?
: Praktikabler Vorschlag zur Güte

Das Rätselraten um den Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen zwischen Rot und Grün hat ein Ende, noch ehe sie begonnen haben. Auf die Euphoriebremse tritt eine Fußnote, die ein noch unbekannter Fundamentalist in einem internen Papier des Bundesvorstands der Bündnisgrünen versteckt hat. In der ultimativ formulierten Forderung geht es um das Verbot eines Videospiels, das zur Conditio sine qua non hochstilisiert wird: „Autobahn Raser“.

Die Firma Davilex Entertainment hatte als Release-Datum den 7.Mai festgelegt, einen Zeitpunkt kurz vor dem Beginn der heißen Wahlkampfphrase, um das Spiel mit dem „hohen Wiedererkennungswert für jeden, der schon einmal auf einer Autobahn unterwegs war“, auf dem Markt zu plazieren. Der Aufwand zahlte sich aus: Auf der Verkaufshitliste im September steht es auf Platz 1, noch vor dem Telefonbuch Frühjahr 98.

Die Zielgruppe von „Autobahn Raser“ ist im Vorbeifahren beschrieben: „Jeder, der sich gerne mal auf der Autobahn austoben möchte“, denn Zweck und Procedere sind schlicht, „ohne Regeln gnadenlos über deutsche Autobahnen“ zu heizen. Wen wundert's, daß Teile der Grünen dem virtuellen Treiben, jetzt, wo die Machtablösungsperspektive zu einer Tatsache geworden ist, Einhalt gebieten wollen ungeachtet des Grundgesetzparagraphen, der „jedem Mann erlaubt, auf der Autobahn zu rasen, solange ihn seine Menschenwürde dazu drängt“. Das Intro von „Autobahn Raser“ spricht allerdings eine geradezu furchteinflößende Sprache. Mit dem „,Autobahn Raser‘ rasen Sie über deutsche Autobahnen und durch die wichtigsten deutschen Städte. Diesmal werden Sie nicht von Staus oder Geschwindigkeitskontrollen aufgehalten!“ Blitzgeräte? Die „fahren Sie um“.

Berater des Automanns Schröder haben indessen eine Strategie zurechtgelegt, deren Gegenargumente stehen. Gerade Spiele im Stile des „Autobahn Rasers“, heißt es in ersten Reaktionen, fungierten doch als ein Ventil, um die aggressiven Tendenzen der deutschen Fahrer zu kanalisieren und zu domestizieren. Letzten Endes brauche man sogar über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen kaum noch weiter nachzudenken, da die Raserei nun vornehmlich auf dem Monitor stattfinde. Obendrein drohe die zu erwartende Verfassungsklage von Auto-Bild, ADAC und Davilex Entertainment einen Sturm der Entrüstung auszulösen, dessen Erdrutsch unkalkulierbar sei.

Das Konfliktpotential ist also vorprogrammiert, ein Krisenstab aber ist längst gebildet. In ersten Gesprächen zeichnet sich ein Kompromiß ab. Damit eine rot- grüne Regierung nicht gleich mit staatlichem Dirigismus gleichgesetzt wird, verzichtet die Öko-Partei auf das Verbot von „Autobahn Raser“, im Gegenzug müssen die Sozialdemokraten den Vorstandsvorsitzenden der Firma Märklin als Verkehrminister akzeptieren. So würde man ein innovatives Zeichen setzen, daß die Schiene wieder Vorrang vor der Straße habe, der Kostenfaktor andererseits nicht vergessen werde, denn immer noch ist ein voll ausgestatteter Märklin-Bausatz der Luxuskategorie erheblich preiswerter als sogar die abgespeckte Variante der Magnetschwebebahnstrecke. Der Austausch der anfälligen ICE- Technik durch die ausgereifte Märklin-Technologie sei dann nur noch eine Frage der Zeit. Auch die zahlreichen Bahnhofsneubauten und die sonstige Infrastruktur würde die Umwelt weniger belastende Dimensionen annehmen.

Beobachter und Kenner der Bonner Szene sind sich einig: Wenn alle Probleme der zukünftigen Regierungskoalition in diesem weitsichtigen Einvernehmen gelöst werden, dann muß niemandem vor den nächsten vier Jahren bange sein. Dietrich zur Nedden