Eine Lizenz zum Gelddrucken

Das Buch, basierend auf den Aktionsfiguren zum Videospiel vom Film: Mit Merchandising wird der große Reibach jenseits der Kinos gemacht. In der Ausstellung „James Bond Die Welt des 007“ erfährt der Besucher in Hildesheim von den noch zaghaften Anfängen  ■ Von Thomas Klein

Wie es 007 gelang, seit 40 Jahren zu „überleben“, fragt das „museumspädagogische Begleitheft für Schüler“ zur Hildesheimer James- Bond-Ausstellung. Es folgt die Antwort: „Weil Bond ein Produkt ist!“ Das wird denn auch in den zahlreichen Exponaten, die im Roemer- und Pelizaeus-Museum der Stadt ausliegen, deutlich: Mit Filmrequisiten vom Spezialfüller bis zum legendären Aston Martin DB5, Romanen, Postern und militärisch-geheimdienstlicher Deko werden die Besucher in die „Welt des 007“ geführt.

Spätestens in den Jahren nach Sean Connery war die allerdings nur noch ein Konstrukt der Filmproduzenten. Die Darsteller – Models, TV- oder Theaterakteure – sind austauschbar, die Titel meist der einzige Bezug zu den harten, kaltkriegerischen Romanen Ian Flemings: James Bond wird nicht verfilmt, sondern im kinematographischen Genlabor zurechtgebastelt. Traditionsreiches Action- Opium fürs Kinovolk.

Nicht, daß es dem Begleit- und Lesebuch zur Ausstellungs „James Bond – Spieler und Spion“ an Realitätsbezügen oder kritischem Bewußtsein mangelte, doch einen wesentlichen Aspekt der Bond-Streifen muß sich der Besucher weitgehend selbst erschließen. Erst im letzten Raum der Ausstellung – neben einem Bild des kürzlich verstorbenen Bond-Produzenten Albert „Cubby“ Broccoli – sind einige 007-Merchandising-Artikel zusammengetragen: billige Plastikpistolen mit Bond-Aufdruck oder auch „Bond – Le Parfum“ für den Mann von Welt, der gerne mal nach Geheimagent riechen möchte. Daß dann Richtung Ausgang der offizielle Bond-Shop mit seinen Videokassetten, Aktionsfiguren, Büchern, Krawatten, Postern und einer enzyklopädischen CD-Rom folgt, ist eine Ironie, die die Organisatoren wohl selbst nicht ganz verstanden haben.

Denn natürlich ist Bond ein Produkt, aber eben eines, mit dem sich auch schon immer weitere Produkte und Dienstleistungen unters Volk bringen ließen; erst das macht die Alterungs- und Witterungsbeständigkeit von Ian Flemings Kunstfigur aus. Bei der ersten Filmserie, die immer auch nach Marketingaspekten entworfen wurde, gehörten schon Mitte der Sechziger Lizenz- und Merchandising-Verträge zur Filmproduktion.

Recht unverschämt prangte mitten auf dem deutschen Filmplakat zu „Man lebt nur zweimal“ (1967) die Werbebotschaft „Mehr über James Bond [...] in der BRAVO, Deutschlands größter Zeitschrift für junge Leute“, und unter der Zeile „Willkommen in Fernost 007“ stand der Hinweis auf den „täglichen Jet-Express“ der britischen Fluggesellschaft Boac: Jeder Bond-Film mit seinen jeweils zeitgemäß exotischen Kulissen ein Stück Tourismus-Werbung, der Geheimagent als Proto-Neckermann.

Im direkten Rückblick aus den späten Neunzigern wirken die Vermarktungsversuche der Sechziger für Schnaps, Herrenbekleidung oder Duftwässer mit dem James- Bond-/007-Aufdruck fast liebenswert naiv. Und tatsächlich hat sich nur ein Artikel aus dem umfangreichen Bond-Sortiment wirklich durchgesetzt: Seit drei Jahrzehnten wird mit den zahllosen Kinder- beziehungsweise Sammlervarianten des Aston Martin DB5 und seinen auch im Modell vorhandenen Gimmicks wie dem Schleudersitz oder der ausfahrbaren Kreissäge gespielt. Automobile Indoktrination für die Verkehrsteilnehmer von morgen, also gestern.

Heute ist den Entscheidungsträgern in Hollywood längst klar, daß die üppigen Zusatzverdienste mit Taschengeldern gemacht werden. Und daher kommt spätestens seit Mitte der achtziger Jahre kein „Blockbuster“ ohne sein jugendliches Publikum aus. Da sind zum einen die pubertierenden „Armageddon“- oder „Godzilla“-Zuschauer, die sich den Streifen bei ausreichendem Unterhaltungswert und Ereignis-Charakter auch mehrmals ansehen. „Repeat viewing“ wird dieses Phänomen genannt, auf das Hollywood bei Budgets weit jenseits der 100 oder 150 Millionen Dollar nicht mehr verzichten kann.

Zum anderen bilden die Teenager aber auch jene kaufkräftige Zielgruppe, bei der sich außerhalb des Kinos kräftig abkassieren läßt. Der Merchandising-Apparat bietet neben dem unsäglichen „Buch zum Film“, der Romanversion einer frühen Drehbuchfassung, ein erfolgserprobtes Konsumgedeck an: Aktionsfiguren, Computer- und Videospiele, das Comic zum Film, zahlreiche T-Shirts, Kalender und Postkarten, dazu (zumindest in den USA) ein TV-Ableger, entweder als Zeichentrickserie oder als Fernsehaufguß mit Akteuren zweiter und dritter Wahl. Die jeweiligen Lizenznehmer müssen ihre Nutzungsrechte dabei meist noch vor Beginn der eigentlichen Filmproduktion erwerben.

Fehlinvestitionen sind da vorprogrammiert: Die Lizenznehmern von Emmerichs „Godzilla“ werden ihr Geld mangels Qualität und Hipness des Streifens wohl nicht wiedersehen; daß ihnen vom deutschen „Spielbergle“ vor dem Start zwar rechtliche Daumenschrauben an-, aber keine endgültigen Monsterentwürfe vorgelegt wurden, macht das Geschäft kaum besser.

Doch derartige Mißgriffe führen kaum zu unternehmerischer Zurückhaltung, denn jeder hofft darauf, den lizenzrechtlichen Geniestreich von Kenner/Hasbro aus den späten Siebzigern zu wiederholen. Kenner hatte damals die Spielzeug-Rechte an einem SF- Abenteuerfilm ohne Stars und Erfolgsaussicht erworben: Als „Star Wars“ dann 1977 alle Kassenrekorde brach, kam die Firma mit der Produktion der Aktionsfiguren nicht nach und mußte an die gierige Käuferschaft Gutscheine („Early Bird Special“) ausgeben; allein in Deutschland setzte Kenner 1978 mit seinen acht Zentimeter großen Plastiknachbildungen von Luke Skywalker & Co. bereits 2 Millionen Mark um, bis 1986 waren es 12 Millionen Dollar.

Heute ist Kenner/Hasbro eines der größten Unternehmen im Spielwarenbereich. Von diesem Erfolg kann wiederum „Star Wars“-Erfinder George Lucas zehren, denn die Aktionsfiguren des Lizenznehmers haben (wie auch Comicserien) die 1983 vorläufig abgeschlossene Filmreihe in den Geschäften und im Gespräch gehalten.

Da zahlt sich dann die lizenzrechtliche und marktwirtschaftliche Finesse von Lucas aus: Nach Angaben des Münchner Unternehmens Copyright Promotions, das die „Star Wars“-Lizenzen vertreibt, waren zur Wiederaufführung der „Krieg der Sterne“-Filme im vergangenen Jahr 110 Buch- und Comicveröffentlichungen für den deutschsprachigen Markt lizensiert; schon gibt es einen Vermarktungsplan bis ins Jahr 2001. Dabei schwingt die unausgesprochene „Garantie“ mit, daß ab 1999 auch die nächsten drei „Star Wars“-Streifen für Rekordeinnahmen an der Kino- und Spielwarenkasse sorgen. Aber George Lucas hat auch schon bewiesen, daß man eigentlich keinen Film benötigt, um Film-Merchandising an die Käuferschaft zu bringen. Mit „Shadows Of The Empire“ ließ Lucas 1996 die Vermarktungsmaschinerie erneut anlaufen und Comics, Figuren, T-Shirts und Videospiele verkaufen, sogar eine Filmmusik-CD wurde veröffentlicht. Den Film dazu gab es nicht, nur das merkantile Konstrukt. Die Kassen klingelten trotzdem.

Über den unappetitlichsten Teil der Synergien, dem Zusammenspiel von Marketing und Merchandising, von Filmherstellern, Konsumartiklern und Dienstleistern, nämlich der Beeinflussung eines Films durch die Lizenznehmer, mag niemand gerne reden. Nur gerüchteweise wird von geänderten Entwürfen und Drehbüchern erzählt, von nachträglich eingebauter Hardware und aufgebauschtem „Konflikt-Potential“. Da ist man im Bereich des „Product Placements“ offener – die (bezahlte) Requisite als Werbeträger ist am Ende des 20. Jahrhunderts nichts Anstößiges.

Deshalb brüsten sich „Calvin Klein eyewear“ mit Uma Thurmans Sonnenbrille aus dem mißratenen „Avengers“-Kinofilm; deshalb spendiert ein Handy-Hersteller mal eben eine mehrseitige Werbeanzeige für den letzten Bond- Film und sich selbst; von dem Coup der Bayerischen Motoren-Werke, englische Autos als 007-Fahrzeuge ersetzt zu haben, ganz abgesehen. Und so findet sich schließlich ein etwas unförmiges Surfbrett in Hildesheim, angeblich für wenige Sekunden in „Golden Eye“ im Bildhintergrund zu sehen. Es ist mit dem Hinweis des Designers versehen, mit seinem Sportboard könne man sich per Wind-, Motor- oder Körperkraft über Wasser und Schnee bewegen, er suche jetzt nur noch einen Hersteller. Produkt Bond, Reißbrettversion.

Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, „James Bond Die Welt des 007“. Bis 18.10., Katalog 25 Mark