Deutsche GmbHs müssen transparenter werden

■ Europäischer Gerichtshof verurteilt Bonn und verlangt Offenlegung von Jahresabschlüssen

Freiburg (taz) – Jetzt muß die Geheimniskrämerei deutscher Kapitalgesellschaften ein Ende haben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am Dienstag entschieden, daß Deutschland europäisches Recht nur unzureichend umgesetzt hat. Künftig müssen auch die rund 600.000 deutschen GmbHs ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen. Die EU-Kommission hatte gegen die Bundesregierung geklagt.

Die Pflicht zur Transparenz besteht zwar schon seit 1987. Doch bislang hat sich kaum jemand daran gehalten. Nach Angaben der EU-Kommission lassen 93 Prozent der publizitätspflichtigen Gesellschaften ihre Zahlen lieber in der Schublade. Der EuGH erklärte nun, die Bundesregierung habe es versäumt, im deutschen Recht ein wirksames Mittel zu schaffen, mit dem die Veröffentlichung erzwungen werden könnte: Klagen können bislang nur Geschäftspartner, Gläubiger und Betriebsräte. Diesen aber wird in der Regel individueller Einblick in die Bücher gewährt. Andere Marktteilnehmer, die sich über mögliche Geschäftspartner informieren wollen, hatten keine Chance.

Nach dem Urteil muß dies anders werden. In welcher Form der Richterspruch umgesetzt wird, ist allerdings noch offen. Denkbar ist, daß die Behörden nun von Amts wegen gegen Geheimniskrämer vorgehen oder daß alle Marktbeteiligten ein Klagerecht erhalten.

Für Bonn kam die gestrige Entscheidung nicht überraschend. Schon Ende 1997 hatte der EuGH in einem Streit unter den deutschen Daihatsu-Vertriebshändlern seine Position klargemacht. Offen war nur noch, ob die EU-Kommission ihre Klage formgerecht beschlossen hatte.

Der Deutsche Industrie- und Handelstag sprach umgehend von einem „harten Schlag für den Mittelstand“. Doch zum Boykott wird er nicht aufrufen. „Die deutschen Unternehmen werden sich wohl oder übel umstellen müssen“, erklärte Heribert Juchems, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmen. Einverstanden ist er mit der Publizitätspflicht aber auch nicht: „Warum sollen wir der Konkurrenz unsere Zahlen offenlegen?“ Daß Konkursrisiken so früher erkannt werden können, glaubt in Deutschland kaum jemand.

Das Bundesjustizministerium hat angekündigt, noch einmal mit Brüssel zu reden, „um Belastungen für den Mittelstand zu reduzieren“. Der EU-Ministerrat hatte die Publizitätsanforderungen schon einmal auf deutschen Wunsch reduziert. Noch einmal wird das kaum gelingen, denn der Mittelstand in anderen EU-Staaten findet die EU-Transparenzvorgaben durchaus in Ordnung.

(Az: C 191/95) Christian Rath