„Da steht ein Plan dahinter“

■ Richard Golz über Spielsysteme, deutsche Tugenden und seinen ehemaligen Verein

Der Hamburger SV spielt in der Fußball-Bundesliga morgen (15.30 Uhr) beim SC Freiburg. Für die Breisgauer steht ein Mann im Tor, der bis zur letzten Saison noch bei den Hanseaten war. Richard Golz wird im Badischen als Held gefeiert. „Ich weiß gar nicht“, wundert sich sogar Hanno Franke, Pressesprecher des Sportclubs, „wieso man den aus Hamburg fortließ.“

taz: Wenn vor der Saison jemand gesagt hätte, daß morgen der 7. gegen den 4. spielt: Hättest du gelacht?

Richard Golz: Ich war mir schon sicher, daß wir in der Bundesliga bestehen können. Daß der HSV an Platz 4 steht, ist vielleicht auch überraschend. Aber die Tabelle ist noch nicht so aussagekräftig nach sechs Spieltagen.

Also spielt der SC Freiburg nicht nur gegen den Abstieg?

Doch, in erster Linie schon. aber je länger wir nicht direkt was damit zu tun haben, desto mehr Ruhe haben wir natürlich auch.

Zumindest in der Medien-Wahrnehmung gilt Freiburg ja nach wie vor als irgendwie anderes Fußball-Biotop. Deckt sich das mit deiner Einschätzung?

Es gibt schon Unterschiede. Zum einen ist die Medienpräsenz hier viel geringer, worüber sich keiner beschwert. Ob der Verein nun anders ist als andere Vereine, kann ich bisher weder bestätigen noch dementieren. Die Atmosphäre ist jedenfalls sehr angenehm. Mal abwarten, wie's aussieht, wenn's mal nicht mehr so gut läuft.

Was macht denn Trainer Volker Finke anders als die Trainer, die du beim HSV in fast 300 Bundesligaspielen kennengelernt hast?

In Freiburg wird sicher nicht alles anders gemacht. Aber man hat auf jeden Fall das Gefühl, daß ein Plan dahintersteht. Und das war gewiß nicht bei allen Trainern der Fall, die ich kennenlernen durfte.

Der SC Freiburg setzt auf eher namenlose Neuzugänge. Ergibt sich daraus für die wenigen Routiniers automatisch eine Führungsrolle in der Mannschaft?

Auf den ersten Blick könnte man schon sagen, daß es uns an erfahrenen Spielern mangelt. Aber es gibt immerhin einige Nationalspieler, die vorher in Tunesien oder Frankreich gespielt haben. Erfahrung haben die auch, wenn auch noch keine in der Bundesliga. In eine Führungsrolle muß man ohnehin immer reinwachsen.

Es gibt aber so etwas wie eine Hierarchie auch in Freiburg?

Uhmmmmmpfff (windet sich). Ich würd' sagen, daß es relativ unhierarchisch zugeht. Was nicht heißt, daß jeder machen kann, was er gerade so denkt. Eine klare Hierarchie würde gar nicht zu unserem Spielsystem passen. Wir leben ja von der mannschaftlichen Geschlossenheit. Da würde es nicht passen, wenn da ein Stratege im Mittelfeld steht und den anderen sagt, wo sie langlaufen müssen.

Im Moment wird debattiert, was prinzipiell falsch läuft im deutschen Fußball. Freiburg gehört zu den wenigen Bundesliga-Mannschaften gehört, die eine modernere Spielauffassung pflegen. Steht es wirklich so schlecht um den hiesigen Fußball?

Ich glaube nicht, daß es so schlecht steht. Das Spielerpotential ist sicher da. Andererseits ist der deutsche Fußball vor allem für Kraft und Willen bekannt, da ist es nicht einfach, auf einmal ein anderes System zu spielen. Vielleicht ist da der Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt, so ein Kurzpaßspiel aufzuziehen wie die Franzosen oder Holländer. Oder der SC Freiburg (lacht). Ich glaube, man müßte das modifiziert anwenden – einfach komplett übertragen geht nicht.

Gibt es diese deutschen Tugenden wirklich, oder sind das nicht nur Klischees?

Sicher. Aber man wird ja von klein auf dazu erzogen, so Fußball zu spielen. Natürlich gibt es Spieler, die über sich hinauswachsen. Aber die meisten sind halt keine Zauberer, sondern Handwerker.

Wird das morgen denn ein freudiges Wiedersehen mit den alten Mannschaftskollegen?

Ja, ich freu' mich schon, einige wiederzusehen, freu' mich auch auf's Spiel. Interview: Jörg Feyer