Krach um Atomausstieg

■ Atomindustrie lehnt Fristen ab und droht mit Klagen. Unhaltbar, sagt Rechtsexperte

Mainz/Berlin (AFP) – Die Atomindustrie hat mit Blick auf den rot-grünen Regierungswechsel Fristen für den Ausstieg aus der Atomenergie abgelehnt. „Wir würden selbstverständlich vor Gericht gehen, um einen solchen Beschluß zu verhindern“, sagte der Präsident des Deutschen Atomforums, Wilfried Steuer, dem ZDF.

Dagegen fordert die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) den künftigen Kanzler Gerhard Schröder in einem offenen Brief auf, die Nutzung der Atomkraft bald zu beenden. Der Kasseler Atomrechtsexperte Alexander Rossnagel geht davon aus, daß ein Ausstieg innerhalb von fünf Jahren und ohne Entschädigungszahlungen möglich ist.

Steuer sagte, die Bundesregierung hätte „mit Entschädigungsforderungen in dreistelliger Milliardenhöhe zu rechnen“, wenn sie Ausstiegsfristen beschließen sollte. Er könne sich auch nicht vorstellen, daß eine rot-grüne Regierung den Ausstieg beschließe. Schröder sei „ein vernünftiger Mann“. Zugleich bot er der Regierung neue Gespräche über einen Energiekonsens an. Dabei könne es um die Probleme bei Atomtransporten und der Endlagerung gehen, nicht aber um einen Ausstieg aus der Atomenergie: „Ein Ausstieg ist wirtschaftlich sinnlos und rechtlich nicht möglich“, sagte Steuer weiter. „Deshalb werden wir auch nicht darüber verhandeln.“

Der Kasseler Rechtsprofessor Rossnagel sagte, ein Ausstieg aus der Atomkraft sei „von heute aus gesehen nach fünf Jahren möglich“. Entschädigungszahlungen fielen bei Wahrung dieser Frist nicht an. Es gelte „abzuwägen zwischen dem Vertrauensschutz der Betreiber innerhalb der geltenden Rechtslage und den Risiken durch den weiteren Betrieb der Kraftwerke“. Als ersten Schritt zu einem Ausstieg schlug Rossnagel eine Gesetzesänderung vor, durch die eine unbefristete Betriebsgenehmigung für AKW in eine auf 25 Jahre befristete umgewandelt werden würde.

Die SPD fordert in ihrem Regierungsprogramm einen Atomausstieg „so schnell wie möglich“, ohne sich auf einen Zeitplan festzulegen. Vor den Wahlen hatte es mehrfach Streit zwischen SPD und Bündnis 90/Grünen gegeben, die konkretere Perspektiven für den Ausstieg verlangten.