„Spielball seiner Gefühle“

■ Sicherheitsverwahrung für den Journalisten Dietmar J. wegen gefährlicher Körperverletzung

Berlin (taz) – Mit einem jähen Schrei stürzten sich die Wachtmeister auf den Angeklagten: Mitten in der Urteilsverkündung verletzte sich der freie Journalist Dietmar J. vor dem Berliner Landgericht gestern mit einem scharfen Gegenstand in Bereich der Pulsadern. Da hatte die Kammer gerade J.s Verurteilung zu sechs Jahren und sechs Monaten Haft wegen gefährlicher Körperverletzung erklärt. Zusätzlich, kündigte das Gericht an, werde er in Sicherheitsverwahrung genommen, was bedeutet, daß er nach seiner Haft bis zu weiteren zehn Jahre im Gefängnis bleiben muß, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Der Angeklagte wurde im Haftkrankenhaus kurz verbunden und erneut zur Urteilsbegründung vorgeführt.

Die jüngste Tat geschah im April des vorigen Jahres. Nach einer gescheiterten Liebesbeziehung hatte J. eine 26jährige Studentin vor der Berliner Fachhochschule für Wirtschaft eine Schere in den Hals gerammt. Die junge Frau wurde so schwer verletzt, daß Teile ihres Gesichtes heute noch immer taub sind und die Bewegungsfähigkeit eines Armes eingeschränkt ist. Zuvor hatte J. gegen die junge Frau und deren Familie wochenlang Psychoterror ausgeübt. 3.000 bis 4.000 Anrufe in sechs Wochen sowie auf den Namen der Familie bestellte Taxen, Funk- und Feuerwehrwagen hatten die Beteiligten an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht.

Wegen der zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten hatte das Gericht keine andere Möglichkeit als die Sicherheitsverwahrung gesehen: J. wurde bereits wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und zahlreichen Körperverletzungsdelikten verurteilt und hat insgesamt mehr als 18 Jahre im Gefängnis zugebracht. Nach seiner letzten Entlassung, Mitte der 90er Jahre, hatte er sich als freier Rundfunkjournalist versucht, sich mit einer Dokumentation über den Politbüroprozeß einen Namen zu machen. In dem Buch kommen unter anderem Günter Gaus und Herta Däubler- Gmelin zu Wort. Egon Bahr interviewte J. auch für die taz.

Auch bei seinen früheren Taten hatte der schnell cholerisch werdende J. seine Opfer mit Psychoterror verfolgt und diese körperlich und sexuell mißhandelt. Als J. 1988 wegen Vergewaltigung zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, hatte der Fall in der Öffentlichkeit für Diskussionen gesorgt: Denn J. bekam einen Monat lang Unterschlupf bei Freunden und Kollegen der Alternativszene.

In der Urteilsverkündung hatte der Vorsitzende Richter J. als „Spielball seiner Gefühle bezeichnet. Er sei nicht nur Täter, sondern auch Opfer seiner selbst.“ Als J. daraufhin erneut mit einem spitzen Gegenstand in der Hand aufsprang, wurde die Verhandlung für beendet erklärt. Plutonia Plarre