Zwölf Jahre wegen Totschlags

■ 41jährige Frau brachte ihre Tochter um / Vater will Revision einlegen

Die 41jährige Frau, die Ende Januar ihre elfjährige Tochter umgebracht hat, ist am Freitag wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Die Unternehmerin, die wegen Mordes angeklagt war, nahm das Urteil sichtlich erleichtert zur Kenntnis. Der Staatsanwalt und der Anwalt des Nebenklägers hatten in ihren Plädoyers lebenslänglich wegen Mordes gefordert. Ihr geschiedener Mann, der Vater des Kindes, verfolgte die Urteilsbegründung mit versteinerter Miene. Er trug ein T-Shirt mit dem Foto seiner toten Tochter – ein hübsches Mädchen mit großen braunen Augen. Er hat gegen das Urteil Revision angekündigt.

Die drei Richter und zwei Schöffen konnten bei der Angeklagten keine „feindliche Willensrichtung“ erkennen. Wie berichtet, hatte die Unternehmerin ihre Tochter getötet, nachdem sie mit ihrem Reisebüro pleite gegangen war. Als Motiv hatte sie angegeben, daß sie ihrer Tochter ein Leben in Armut ersparen wollte. Mehrere Selbstmordversuche, die die Frau nach der Tat unternommen hatte, mißlangen. Aufgrund ihrer „verblendeten Einstellung“ habe die Angeklagte geglaubt, „zum Besten ihrer Tochter gehandelt zu haben“, um ihr „eine schlechte Zukunft zu ersparen“, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. Sie sei „labil, unausgereift“ und leide unter einer „narzistischen Persönlichkeitsstörung“. Als Kind sei die Angeklagte mißbraucht worden. Der Mißbrauch durch den Vater habe die Kindheit der Frau „entscheidend mitgeprägt“. Es sei der Angeklagten nie gelungen, Selbstwertgefühl aufzubauen. Eine verminderte Schuldfähigkeit konnten die Richter jedoch nicht erkennen.

Trotz des „schrecklichen Tathergangs“ hatten die Richter – im Gegensatz zum Gutachter und dem Vater des Kindes – „keinen Zweifel“ daran, daß die Angeklagte ihre Tochter geliebt habe. Die Mutter habe eine geradezu „symbiotische“ Beziehung zu ihrem Kind gehabt. Wie berichtet, hatte sie zunächst versucht, ihr schlafendes Kind mit einem Seidenschal zu erdrosseln. Als das Mädchen aufwachte und sich zur Wehr setzte, verletzte die Mutter ihr Kind mit neun Messerstichen schwer und erhängte es. Die Unternehmerin habe ihrem Kind keine unnötigen Schmerzen zufügen wollen, so die Richterin. Unmittelbar vor der Tat hatte sie einen Zettel geschrieben: „Ich warte darauf, daß Dina einschläft. Im Schlaf spürt sie weniger. Sie soll doch so wenig wie mögilch leiden.“ Daß ihr das nicht gelungen sei, war keine Absicht, so die Richter. Nach der Urteilsverkündung verließen einige Zuhörer empört den Gerichtssaal. „Das war ein liebes Kind“, sagte eine ältere Frau. „Und die Mutter, die es abschlachtet, kommt so billig davon.“ „Wenn die sich gut führt, ist sie nach sieben Jahren wieder draußen“, empörte sich ein jüngerer Mann. „Bei so einer Tat - nicht zu fassen.“ Auch der Vater des Kindes zeigte sich über das Urteil schockiert. „In Frankfurt bekommt der Sohn von Rainer K. zwölf Jahre wegen Beihilfe zum Mord. Und eine Frau, die ihr Kind so abgeschlachtet hat, bekommt auch zwölf Jahre. Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht meiner toten Tochter. Es ist ein Skandal.“

Kerstin Schneider