Some like it hot in Schlicktown

■ Ein kurzer Dokumentarfilm über einen skurrilen Wilhelmshavener Marineangestellten läuft heute nacht bei N 3. Die taz sprach mit der Regisseurin Heidrun Mössner

Es kommen weiß Gott nicht viele Filme aus Bremen. Und schöne, originelle und witzige muß man lange suchen. Um so mehr lohnt es sich daher, heute nacht wachzubleiben. Denn um 0:00 Uhr läuft in N 3 in der Reihe „Der dokumentarische Blick“ „Marine ahoi“ von Heidrun Mössner. In vierzehn Minuten stellt die Bremer Filmemacherin hier Heinz-Arthur Lührs vor, der in Wilhelmshaven bei der Marine arbeitet, nach Feierabend aber Schlips und Kragen gegen Perücke und Abendkleid tauscht, um in seiner eigenen Travestieshow seiner wahren Leidenschaft zu frönen. Den Kontrast zwischen Büroalltag und der extravaganten Selbstinszenierung nach Feierabend zeigt der Film sehr pointiert, empathisch und intensiv.

taz: Frau Mössner, wie sind Sie auf diesen Protagonisten für Ihren Film gekommen?

Heidrun Mössner: Das Motto dieser Reihe von 16 Dokumentarfilmen ist „Erst die Arbeit! Und dann?“. Und ich habe mich halt gefragt, wen ich kenne, dessen Hobby möglichst extrem von seinem Beruf abweicht. Der Heinz-Arthur Lührs arbeitet als Schreibkraft oder Tipse, wie er selber sagt, bei der Marine, und verwandelt sich dann nach Dienstschluß in eine völlig andere Persönlichkeit. Diese verschiedenen Gesichter von ihm faszinieren mich, außerdem kann er wirklich gut singen und ich bewundere an ihm, daß er den Mut hat, sich so zu zeigen. Er betreibt ja ein Hobby, das gerade in der Marine bei vielen Leuten hochgezogene Augenbrauen provoziert.

Sie haben ja für die gleiche Filmreihe des NDR schon einen anderen Film über einen Bremer Hundesalon gemacht. Haben Sie eine Vorliebe für das Skurrile?

Mich interessiert das Kleine, das Abenteuer um die Ecke. Ich habe da eine tiefe Neugierde, wie etwa der Alltag in solch einem Hunde-salon abläuft. Mich fasziniert gerade das Unspektakuläre, wie sich in diesem kleinen Laden täglich zwischen Bedienung und Kunden ganz verschiedene Welten begegnen.

Aber filmisch waren Sie mit diesem Film nicht zufrieden, und so haben sie jetzt „Marine ahoi!“ mit einem guten, also teuren Kameramann gemacht. Warum dies?

Der Produktionsetat liegt be 12.600 Mark, und als ich den Kameramann Peter van den Reek anrief, der mindestens 700 Mark pro Arbeitstag nimmt, hat der mich gleich gefragt, warum ich unter den Bedingungen den Film überhaupt machen würde. Nun bin ich Seiteneinsteigerin in diesem Metier, von Haus aus Lehrerin und habe mit Filmen über sexuelle Gewalt gegen Mädchen oder Süchte begonnen, die ich im Eigenvertrieb hergestellt und dann als Cassetten an sogenannte Multiplikatoren verkauft habe. Aber als sich mein Filmgeschmack weiterentwickelte, reichten mit diese rein pädagogischen Filme nicht mehr. Und bei meinem eigentlichen Debüt über den Hundesalon war ich mit der Kameraarbeit nicht so zufrieden. Deshalb habe ich jetzt einen Film gemacht, der so professionell produziert ist, daß ich mich damit bei künftigen Projekten gut vorstellen kann, und ich nehme dafür zwangsläufig in Kauf, daß ich damit so gut wie nichts verdiene.

So arbeiten ja viele in den verschiedenen Künsten, aber als Filmemacherin in Bremen hat man es ja wohl besonders schwer.

Neben dem Saarland ist Bremen der schlechteste Standort für eine Filmproduktion. Die Filmförderung besteht aus 100.000 Mark. Wer da im Herbst den Förderpreis für Dokumentarfilme nicht gewinnt, hat es ganz schwer. Radio Bremen schottet sich gegen unabhängige Filmemacher völlig ab, und für einen Film wie diesen wäre die Lage hier auch völlig aussichtlos, wenn der NDR in Hamburg ihn nicht produzieren würde.

Ist das kleine Format mit vierzehn vorgeschriebenen Minuten eher eine Beschränkung oder eine Herausforderung?

Ich hätte gerne etwas mehr Zeit gehabt, dann hätte ich die biographischen Aspekte mehr herausgeholt. Lührs war sein Leben lang von Frauen umgeben, da hätte ich mich gerne auf eine psychologische Studie konzentriert. Aber es war auch eine spannende Aufgabe, die Fülle von vier Stunden gefilmten Materials so zu verdichten, daß man in so kurzer Zeit möglichst viel zeigt.

Wenn die Filmreihe mit Ihrem Film beginnt, ist dies doch schon ein Zeichen dafür, daß man ihn beim NDR nicht gerade für den schlechtesten hält.

Der Redakteur hat gesagt: „Ich nehme ihn als Ersten, da machen die Leute schon mal den Fernseher nicht aus.“

Fragen: Wilfried Hippen

„Marine ahoi“ ist heute nacht um 0:00 Uhr bei N 3 zu sehen