Bremer SPD kündigt den Kuschel-Kurs

■ SPD-Basis begrüßen die rot-grüne Koalition in Bonn und befürworten ohne Gegenstimmen einen selbstbewußteren Kurs gegenüber die Union / Erster Streitpunkt Bildungshaushalt?

Für die Basis der Bremer SPD soll jeglicher Kuschel-Kurs mit dem Koalitionspartner CDU ein Ende haben. Ein deutliches Signal an eigene Führungsspitzen haben die stadtbremischen Sozialdemokraten nach dem Bonner Wahlsieg ausgesandt. Der Unterbezirksparteitag am Donnerstag abend hat ohne Gegenstimmen einen Antrag des Ortsvereins Altstadt beschlossen, in dem zunächst die Bonner Koalitionsverhandlungen mit den Grünen begrüßt werden und dann weiter formuliert ist: „Auch in Bremen geht die SPD gestärkt aus der Bundestagwahl hervor.“

„Vor allem muß das Kokettieren mit den vermeintlichen Gemeinsamkeiten in der Großen Koalition ein Ende haben“, heißt es in dem Antrag. Die Adressaten der Botschaft sind klar: Bürgermeister Henning Scherf und Fraktionschef Christian Weber hatten schon vor Monaten erklärt, die Koalition arbeite so gut, daß vorstellbar sei, auch nach der Wahl im Juni 1999 weiter zusammenzuarbeiten.

Die Delegierten aus Bremen-Stadt wollen die Große Koalition nicht platzen lassen, sie aber „geordnet zu Ende bringen“. Aber in der Sache distanzieren sie sich eindeutig von der Union. „Das ist keine Liebesheirat“, sagte ein Altstadt-Delegierter, „wir dürfen nicht mit der CDU kuscheln.“ Die Abschiebepolitik des Innensenators Ralf Borttscheller (CDU), sagte der Redner, befördere das ausländerfeindliche Klima.

Aber der Unmut der Sozis entzündet sich nicht nur an den klassischen Konfliktthemen wie der Ausländer- und Asylpolitik. Viele sprechen den Bürgerlichen auch die Kompetenz ab. Die CDU-Senatsbeteiligung habe „gerade in der Finanz- und Wirtschaftspolitik die Erwartungen nicht erfüllt“, heißt es in dem Antrag, der unter tosendem Applaus angenommen wurde. Der UB-Vorsitzende Wolfgang Grotheer sagte, „wir behandeln die CDU oft zu freundlich. Das hat die CDU nicht verdient.“ Fraktionschef Weber, dem diese Worte maßgeblich galten, durfte nicht mit abstimmen, weil er nicht Parteitagsdelegierter ist. Er ist aber entschlossen, das begonnene „Projekt Große Koalition“ erfolgreich zu Ende zu führen. Nach der Wahl am 6. Juni müsse man neu entscheiden. Weber warnt aber vor zu großer Euphorie: Er denkt mit Grausen an 1994, als die Bremer Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 45 Prozent einfuhren, bei der Bürgerschaftswahl 1995 aber auf 33 Prozent abstürzten.

Ein Delegierter aus dem Buntentor verwies auf Tenever und die Neue Vahr, wo die SPD entgegen allen Trends Stimmen verloren hat: „Das ist der Gewoba-Verkauf“, vermutet er. Auch altgediente Genossen warnten: „Ich mahne, die Große Koalition im Vorwege abzumeiern“, sagte der wiedergewählte Bundestagsabgeordnete Konrad Kunick. Die Wähler könnten sagen, „die Sozis wollten erst die Ampel nicht, dann wollten sie die Große Koalition nicht, also setzen sie uns dahin, wo wir nicht hinwollen: auf die Oppositionsbank“. Die Bürger hätten sich Bremer Problemthemen sorgfältig zurückgelegt. Kunick nannte die abgesoffenen Keller im Bremer Westen und die sanierungsbedürftigen Schulgebäude. „Die Menschen wollen, daß hier endlich etwas passiert“, sagte Kunick.

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ulrike Hövelmann, will den Schwung des Wahlsieges gleich für den Streit mit dem Koalitionspartner nutzen und bat die Delegierten um ihre Unterstützung: „Wir müssen die offensichtliche Unterfinanzierung im Bildungshaushalt auflösen“, forderte Hövelmann. Als Beispiel für die ihrer Ansicht nach falsche Prioritätensetzung zwischen den Ressorts von SPD und CDU nannte sie den Stadtreparaturfonds: „14 Millionen für Schulen, 40 Millionen für Bau, das kann nicht angehen.“ Die bisherige Verteilung des Geldes sei „nicht gottgegeben“.

Joachim Fahrun