Zorro spuckt Blut

„Einfach fertig“: Die favorisierten Deutschen schleppten sich beim Ironman auf Hawaii verspätet ins Ziel  ■ Aus Kailua-Kona Thomas Hahn

Als die Sonne über Kona sich daranmachte zu sinken, kam plötzlich ein Gerücht auf: Jürgen Zäck, der prominente deutsche Triathlet, Gewinner des Ironman von Roth, werde demnächst in den Zielraum wandern. Und ein bißchen später, als die Sonne schon ziemlich tief über dem Horizont hing, stellte sich heraus, daß das Gerücht stimmte. Jürgen Zäck war tatsächlich in den Zielraum gewandert, nach einer Schwimm-, Fahr- und Laufzeit von 10:20:01 Stunden, auf Platz 246, fast zwei Stunden später als der Kanadier Peter Reid, den Zäck auf der Radstrecke noch abgehängt hatte und der in 8:24:20 vor Luc van Lierde aus Belgien (8:31:57) und Lothar Leder aus Darmstadt (8:32:57) gewonnen hatte. Den ungefähr 40.000 Zuschauern gefiel das, und sie feierten Zäck lauthals als Mann mit Charakter, weil er nach seinem Einbruch auf der Laufstrecke, als er sogar Blut spuckte, nicht einfach miesepetrig aufgesteckt, sondern den Wettbewerb uneitel mit den Amateuren beendet hatte.

Trotzdem muß Zäck diesen Auftritt auf Hawaii als das verstanden haben, was er auch tatsächlich bedeutete: eine bittere Niederlage. Zweiter war er 1997 noch gewesen, wurde von einer Fachzeitschrift kürzlich zum „vielleicht besten Triathleten, der noch nie auf Hawaii gesiegt hat“ ernannt und erschien auf dem Titelblatt eines Magazins als entschlossener Zorro mit Degen und schwarzem Umhang. Dazu paßt schlecht, im Laufbewerb so böse eingegangen zu sein, daß für ihn eine Marathon-Zeit von 4:44:29 Stunden gestoppt wurde; was langsamer war als sein Ergebnis auf der 180 Kilometer langen Radstrecke (4:43:32), mit dem er sich zwischendurch an die Spitze gesetzt hatte.

Profis müssen eben andere Ansprüche an sich stellen als gewöhnliche Hobbysportler. Und deshalb konnte auch Thomas Hellriegel aus Bruchsal nicht trösten, wieder einmal etwas zuwege gebracht zu haben, was die wenigsten Menschen schaffen; nämlich den Hawaii-Triathlon, diesen strengen Wettkampf gegen Hitze, Wind und Weltelite, in nur 8:45:21 Stunden hinter sich zu bringen. Denn Hellriegel hat im vergangenen Jahr an gleicher Stelle gewonnen, wurde anschließend in der Heimat als lebendes Wunder herumgereicht. Und jetzt das: Platz acht! Und beim Laufen vom ersten Kilometer an gelitten wie selten zuvor. Wie Zäck hatte er sich auf dem Rad zu sehr angestrengt. „Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich die ganze Strecke noch schaffen soll“, sagte Hellriegel. Es schien ihm fast ein bißchen peinlich zu sein. Verschämt verbeugte er sich vor seinem Publikum, ehe er in den Zielraum wankte und sich ausgelaugt und geknickt von rührigen Helfern abführen ließ.

Es war der Tag des Kanadiers Peter Reid. Auf der schweren Strecke machte er alles richtig und für alles, was er machte, hatte er genügend Kraft. Er schwamm auf der 3,8-km-Schleife vor Konas Küste solide im Pulk der Mittelmäßigen, stieg als 54. aus dem Wasser und erarbeitete sich auf dem Rad hinter dem einsam davonpreschenden Jürgen Zäck bald eine günstige Position, die er sich brüderlich mit Hellriegel teilte. „Das war schön“, fand Reid. Und vor allem konnte er danach leichtfüßig den Marathon angehen. So ausgeruht wirkte er bei seiner Laufarbeit, daß er damit seine Landsfrau Lori Bowden inspirierte: „Das hat mich aufgebaut.“ Die Folge: Bowden (9:27:19) wurde Zweite in der Frauenkonkurrenz hinter Natascha Badmann (Schweiz/9:24:16) und vor Fernanda Keller (Brasilien/9:28:29).

Einen Deutschen hat es aber dann doch noch gegeben, der voll des Glückes war: Lothar Leder. Seinen dritten Platz, erkämpft durch den schnellsten Lauf des Tages in 2:44:58 Stunden, hielt er für ein sehr erfreuliches Ereignis, erfreulicher noch als seinen dritten Rang auf Hawaii 1997, weil diesmal mehr Prominenz am Start war. Außerdem waren damals die Landsleute Zäck und Hellriegel schneller: „Da kam ich mir wie ein Anhängsel vor.“ Und das beherzte Rennen diente ihm als brauchbarer Abschiedsgruß an die Szene der Langstrecken-Athleten. Vorerst will er nämlich keinen Ironman mehr bestreiten, um sich in Ruhe auf die olympischen Spiele 2000 in Sydney vorzubereiten, bei denen Triathlon in abgespeckter Version (1,5 km Schwimmen / 40 km Radfahren / 10 km Laufen) erstmals im Programm ist. Leder wird die Zeit nutzen, um sich ein bißchen zu erholen von der Plackerei über die Langdistanz. „Ich bin einfach fertig“, sagt er, „da sind 18 Monate Kurzstrecke ganz gut.“ Vielleicht wäre es für Zäck und Hellriegel ja auch sinnvoll, sich ein bißchen auf Olympia vorzubreiten.