Gefährliche Atomsuppe

■ betr.: „Grüne klären Entsorgungs frage“, taz vom 19. 9. 98

Nach der Stillegung der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) lagern dort noch zirka 80 Kubikmeter hochradioaktive Abfallösungen. Diese Atomsuppe enthält neben zirka 17 Kilogramm Plutonium und zirka 600 Kilogramm Uran viele andere Spaltprodukte (Strontium, Cäsium, Jod, Krypton, Neptunium, Americium usw.)

Da diese Uran- und Plutoniumgemenge in einer Säure aufgelöst ist und noch die sich ständig erhöhende Temperatur durch den dauernden Zerfall der radioaktiven Substanzen hinzukommt, stellt es die gefährlichste Form der Existenz von Uran und Plutonium dar. Diese hochradioaktive Flüssigkeit, die ständig gekühlt und gerührt werden muß, lagert in einem flugzeugabsturzsicheren Gebäude auf dem Gelände des Forschungszentrums Karlsruhe (FZK).

Nachdem Ende 1990 der Aufarbeitungsbetrieb beendet wurde, wird die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe vollständig abgebaut und beseitigt (Kosten über zwei Milliarden Mark, die überwiegend die SteuerzahlerIn bezahlt). Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Entsorgung des bei der WAK lagernden hochradioaktiven Abfalls (HAWC). Das HAWC soll durch ein vom FZK entwickeltes Verglasungsverfahren verfestigt werden, und zwar in der auf dem Gelände der WAK zu errichtenden Verglasungsanlage (VEK).

In der VEK soll ab 2003 ein Glasprodukt erzeugt werden, das endlagerfähig sein soll. Es fallen bei der Verglasung des HAWC zirka 130 Glasblöcke in Edelstahlbehältern an.

Diese Glasgebinde, oder auch Kokillen genannt, werden in Castor-Behältern (?), die für den Transport und die Lagerung von Kokillen geeignet sein sollen, eines Tages (?) in ein Zwischenlager (?) oder ins Bundesendlager (welches es noch nicht gibt) abtransportiert.

Ungeachtet unserer prinzipiellen Ablehnung aller Atomanlagen haben sich BUND, Greenpeace, Grüne u.a. (nach intensiver Diskussion) konstruktiv im Mai 98 am atomrechtlichen Verfahren beteiligt, weil es sich nach der Stillegung aller Anlagen um eine reine Altlast handelt. Bei einer wie auch immer eintretenden Freisetzung dieses in der Bundesrepublik Deutschland einzigartigen Atommülls würde zum heutigen Zeitpunkt sofort ein Entweichen/Verdampfen der tödlichen Materialien eintreten; eine Reaktion/Evakuierung der Bevölkerung wäre so gut wie unmöglich. Nur – wir haben schwerwiegende Einwendungen im atomrechtlichen Verfahren erhoben, deren Erfüllung noch ausstehen: Stillegung und den Abriß der Anlage nach der Verglasung der 80 Kubikmeter als integrierten Teil der Genehmigung der VEK, Produktkontrolle in jedem Abschnitt des Prozesses, Flugzeugabsturzsicherheit der Gesamtanlage, Erdbebensicherheit sowie Tauglichkeitsnachweis der Lager-Transportbehälter (Castor HAW 20/28) etc. Diese Anlage soll also nicht, wie es die Studie offenbar in Erwägung zieht, zur Behandlung weiterer Mengen Plutoniums als der vor Ort befindlichen dienen, was wieder Atomtransporte, zusätzliche radioaktive Freisetzungen und ... zur Folge hätte. Dabei ist die „Endlagerung“ der wärmeentwickelnden Kokillen bisher völlig ungelöst.

Da das FZK nach wie vor mehr radioaktive Emissionen auf dem Luftpfad abgibt, als alle anderen 19 deutschen Atomkraftwerke zusammen und bei der geplanten Verglasung rund 80mal soviel Radioaktivität an Beta- und Gamma- Aktivität und zigmal mehr bei Alphastrahlen freigesetzt werden als im jetzigen flüssigen Zustand, haben wir den Wunsch, das gesamte deutsche Plutonium aus der Wiederaufarbeitung (zum Beispiel in La Hague) in Karlsruhe mitzuverglasen, sorgenvoll und mit Protest lesen müssen. Bevor die Grünen in Hamburg oder sonstwo so etwas in ihre Überlegungen miteinbeziehen, sollten sie sich mal vor Ort erkundigen, wie der Stand der Dinge bei den örtlichen Grünen, den Umweltverbänden, den kritischen Strahlenmedizinern und besonders auch aus der Sicht der seit 40 Jahren als „Versuchskaninchen“ mißbrauchten Bevölkerung (Schneller Brüter, Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe ... und noch laufende Atommüllverbrennung) zu diesem Thema sich darstellt und der Maxime „erst abschalten, dann entsorgen“ verpflichtet fühlen. Harry Block, B'90/ Grüne,

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