Gespräche über „Rummachen“ mit klickendem Kaugummi

■ Die jetzt in der Lewinsky-Affäre veröffentlichten Dokumente bringen in der Sache wenig Neues, dafür zeigen sie widersprüchliche und banale Menschen

Washington (taz) – Monica Lewinsky ist traurig und zornig darüber, daß und wie der Präsident sie vom Hof verbannt hat und ihr ausweicht: „Warum sagt er mir nicht einfach: Geh, freu dich deines Lebens, in drei Jahren heiraten wir.“ Das gesteht sie in einem der Hunderten von Telephongesprächen zu ihrer vermeintlichen Freundin Linda Tripp, die Lewinskys Ergüsse heimlich aufzeichnete. Am Freitag wurden die Mitschnitte zusammen mit anderen Protokollen veröffentlicht.

Darin macht sich die 22jährige Praktikantin Gedanken darüber, daß der US-Präsident sie heiraten könnte. Statt ihrer Freundin, die ihre Tochter hätte sein können, den Kopf zu waschen, scheint Tripp sie zunächst noch zu ermutigen. Die Protokolle zeigen widersprüchliche Gestalten. Lewinsky erscheint mal als raffinierte Einschmeichlerin und dann wieder als das hilflose Kind, das um Liebe bettelt: „Dieses Schweigen von Dir tötet mich“, schreibt sie an Tripp. „Die letzte Woche war für mich furchtbar, ich habe dich 12.000mal angerufen und bekam keine Antwort. Es ist frustrierender, Dich zu erreichen als ihn. Bitte, Linda, komm, sprich mit mir.“

Tripp erscheint zunächst als die Hinterhältige, die Clinton in eine Falle locken will, um ihre Skandalchronik über das Weiße Haus schreiben zu können. Sie rät Lewinsky, das Kleid mit dem Samenflecken aufzuheben. Jahre später noch würde sie damit den Präsidenten erpressen können. Und sie rät ihr, Clinton unter Druck zu setzen, damit er ihr eine gute Stelle beschafft, womit der sich der Zeugenbeeinflussung schuldig machen würde. Dann wieder will Tripp von Lewinsky nichts mehr wissen, will nie wieder angerufen werden, sie ekelt das alles an.

Auf konkrete Nachfrage Tripps, ob Lewinsky mit Clinton Sex gehabt habe, verneint dies die Praktikantin explizit. Von Tripp zu einer Definition des Verhältnisses gedrängt, sagt sie: „Wir haben rumgemacht.“ Als Lewinsky einmal anmerkt, sie höre während der (heimlich aufgezeichneten) Telephonate mit Tripp immer merkwürdige Klick-

geräusche, sagt

diese, es sei ihr Kaugummi.

In der Phantasie der Zeitgenossen hatte die Affäre schon feste Rollen: Starr, der Großinquisitor, Clinton, der tölpelhafte Jungkönig, Lewinsky, die Unschuld vom Lande, und Tripp, die böse Hexe. Die Dokumente offenbaren nicht Helden und Schurken, sondern inkonsequente Menschen, die widersprüchlich motiviert sind. Hatte die Geschichte bisher den Zuschnitt einer Seifenoper als Staatstheater, wird sie just in dem Augenblick in die Niederungen des wirklichen Lebens gezogen, da auf der Bühne des Staats der Schauprozeß beginnt. Die neuen Dokumente offenbaren, warum die Geschichte von Anfang an faszinierend und abstoßend zugleich war: Sie hat alle Elemente der Tragödie – oder Komödie, doch die hinter ihr stehende Wirklichkeit ist banal, unordentlich, formlos. Die Hauptpersonen sind weder böse noch gut, und man kann sich mit ihnen weder identifizieren noch sie ganz verurteilen. Peter Tautfest