Wolken am Horizont

■ „Di Schimmelrieder“ reitet wieder: stimmiges Volkstheater am Ohnsorg

Theodor Storms melancholisch-düstere Novelle Der Schimmelreiter am Ohnesorg? Ob das gutgeht? Ja und nein. Als Volkstheater entwickelt De Schimmelrieder in der plattdeutschen Bühnenfassung von Paul Barz seinen eigenen Charme, doch mit dem Flair der literarischen Vorlage hat das nicht mehr viel zu tun. Das kann man mögen – oder auch nicht. Anerkennenswert ist auf jeden Fall der Mut des Theaters, das szenische Geschick des Autors Paul Barz und die gelungene Umsetzung des Ensembles unter der Regie von Hans Timmermann. Die Geschichte des ehrgeizigen Bauernsohn Hauke Haien (Robert Eder), der sich durch seinen scharfen Verstand und eine reiche Heirat zum ungeliebten Deichgrafen hocharbeitet, hat Barz temporeich für die Bühne umgeschrieben. Auch wenn für Plattdeutsch-Unkundige nicht alles zu verstehen ist, treten die Konflikte zwischen Deichgraf und und Gemeinde, zwischen dem Wunsch nach Neuerung und dem Beharren auf Althergebrachtem deutlich zutage. Manchmal zu deutlich. Denn die Kunst der leisen Töne wird zugunsten klarer Handlungsstränge aufgegeben.

Was schmerzt: Ein Großteil vom Zauber der Stormschen Novelle geht dabei verloren. Die melancholische Grundstimmung, der bedächtige Tenor des Dichters, bei dem lange Jahre schweigend ins Land gehen, wird hier einer allzu straffen Dramaturgie mit dialogreichen Szenen geopfert. Der stille, melancholische junge Haien wird zum eitlen Heißsporn, der verbitterte Deichgraf gar zum bloßen Leuteschinder. Alles Weiche und Widersprüchliche in seiner Seele bügelt die Inszenierung glatt.

Trotzdem: Spannendes Volkstheater ist es allemal. Zeit- und Lokalkolorit entfalten sich prächtig. Wenn Möwen kreischen und Wolken am Horizont dahinfliegen, ist die Seeluft förmlich zu riechen. Und hinter den beschlagenen Butzenscheiben spürt man die Kälte vom blanken Hans. Der schließlich auch am Ohnesorg Hauke Haien holt. Karin Liebe