Junge Union nimmt den Mund voll

■ Nachwuchs kritisiert ein wenig die Parteispitze, will aber nur an die Pfründe. Jens Eckhoff soll CDU-Generalsekretär werden

Die Junge Union spuckt große Töne: „Bernd Neumann muß sich im Bürgerschaftswahlkampf zurückhalten“, forderte Bremens JU-Chef Andreas Windler gestern an die Adresse des CDU-Landeschefs. „Staatsrat Johannes Beermann muß sich am Riemen reißen“, stieß Claas Rohmeyer, Vorsitzender des JU-Kreisverbandes Bremen-Stadt, ins gleiche Horn. „Von Günter Niederbremer hört man nicht viel.“ Es sei den beiden Staatsräten nicht gelungen, CDU-Politik im Senat „klarer herauszustellen“. Auch mit Innensenator Ralf H. Borttscheller ist die JU nicht zufrieden. Als Senator sehr gut, als Kreisvorsitzender Bremen-Stadt mangelhaft, so das Urteil der „jungen Wilden“. Die Bremer CDU bräuchte einen Generalsekretär, forderte die JU. „Ein zweiter starker Mann“ muß her.

Erst nach mehrmaligem Nachfragen rückt der Nachwuchs Namen heraus. Jens Eckhoff gebe einen guten Generalsekretär ab. „Es hatte ja einen Grund, warum Jens Eckhoff kommen mußte, um den Bundestagwahlkampf zu organisieren“, lobte Rohmeyer den Parteifreund. Jörg Jäger sei für diesen Posten ebenfalls „qualifiziert“. Auch Catrin Hannken, der Rohmeyer „ungeheures politisches Talent“ bescheinigt, könnten sich die JUler als Generalsekretärin vorstellen.

Schon im April hatte die junge Gruppe auf dem CDU-Landesparteitag den Aufstand geprobt und CDU-Landeschef Bernd Neumann „einen Denkzettel“ verpaßt. Mit nur 153 von 216 gültigen Stimmen wurde Neumann als Landesvorsitzender bestätigt. Bei den Wahlen zum Landesvorstand bekam die junge, unartige Truppe die Quittung. Jörg Jäger und Claas Rohmeyer wurden nicht gewählt, die Bürgerschaftsabgeordnete Viola Mull, die auch zur jungen Gruppe zählt, schaffte es gerade zur Beisitzerin – nachdem sie als stellvertretende Landesschatzmeisterin durchgefallen war. Jens Eckhoff, der es gerade so eben geschafft hatte, machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: „Der Vorstand ist jetzt eher bequem als kritisch“.

Obwohl die Junge Union den Mund nach der Bundestagswahl jetzt recht voll nimmt, ist das keine Neuauflage des Putschversuchs. Im Gegenteil. Der Nachwuchs liegt mit seinen Äußerungen voll auf Linie der Parteispitze und biedert sich an. Neumann bräuchte nicht zurückzutreten, versichern die Jung-Unionisten wie aus einem Munde.

Schließlich trage er keine Schuld an der Wahlschlappe. Die Wähler hätten den Kanzlerwechsel gewollt und gewählt. Der Putschversuch vom April scheint vergessen. Der Mitfünfziger Neumann sei jetzt allerdings gefordert, Bremens CDU zu verjüngen, mahnten Windler (22) und Rohmeyer (27) im Chor. Mit anderen Worten: Die JU will in die erste Reihe an die Pöstchen. Neumann soll ihnen helfen. Wer Borttscheller als Kreisvorsitzenden der Bremen-Stadt ablösen soll, liegt auf der Hand. Rohmeyer macht den Job für die Junge Union.

Die JU stünde „geschlossen hinter Perschau“, dem neuen Spitzenkandidaten der CDU, versicherte Windler. Das wird CDU-Chef Neumann gern hören. Hartmut Perschau, früher Wirtschaftssenator, jetzt Bürgermeister und Finanzsenator, ist Neumanns Kandidat. Er hat ihn durch geschicktes Taktieren gegen den ehemaligen Spitzenkandidaten Ulrich Nölle durchgesetzt. Das erklärt auch den Seitenhieb der Jungen Union auf Beermann, der sich „am Riemen reißen soll“. Das Verhältnis zwischen Perschau und seinem Staatsrat Beermann, der als Anhänger Nölles gilt, ist gespannt. Mit ihrer Kritik an Beermann liegt die JU also auf Linie der Parteispitze. Das gleiche gilt für Niederbremer, der als Versorgungsfall der CDU mit einem Staatsrat-Posten ausgestattet wurde. Daß er überfordert ist, hat auch die Parteispitze inzwischen bemerkt.

Und es gibt noch ein Indiz dafür, daß die „jungen Wilden“ handzahm geworden sind: Als CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer Perschau auf der Fraktionsistzung offiziell anbot, mit ihm gemeinsam Wahlkampf zu machen, freute sich plötzlich auch Jens Eckhoff, der den Aufstand gegen Neumann und seine Gefolgsleute im April angezettelt hatte. Derzeit wird in der CDU heftig darüber spekuliert, was die Nominierung von Perschau für Folgen haben könnte. Für den Fall, daß die CDU nach der Bürgerschaftswahl im Juni 1999 nicht mehr im Senat sitzt, könnte Perschau (56) Anspruch auf den Sessel des Fraktionsvorsitzenden Neumeyer (36) anmelden. Schließlich verdient man nur auf dem Platz des Fraktionsvorsitzenden annähernd soviel, wie auf dem eines Senators. Dann würde sich eine alte Erfahrung bewahrheiten: Bei der CDU dürfen die Jungen meckern, nicht regieren.

Kerstin Schneider