Von der Unmöglichkeit des Friedens

■ Ludwig Watzal sieht kaum Chancen, den israelisch-palästinensischen Konflikt im Geiste des Osloer Abkommens zu regeln. Arafats PLO hat sich zum Quisling Israels entwickelt

Die Unterzeichnung des Osloer Abkommens am 13. September 1993 hatte die Hoffnung geweckt, daß ein jahrhundertealter Konflikt seinem Ende entgegengeht. Selbstbestimmung für die Palästinenser und ein israelischer Rückzug entsprechend den UN-Resolutionen 242 und 338. Land gegen Frieden lautete die Zauberformel. Sie ist heute mehr als trügerisch.

Der renommierte Nahost-Autor Ludwig Watzal, Redakteur bei der Bundeszentrale für politische Bildung, hat den Friedensprozeß analysiert, vom Wortlaut der Verträge bis hin zu den tatsächlichen politischen Gegebenheiten. Und er kommt zu einem vernichtenden Urteil: Die PLO unter ihrem legendären Führer Jassir Arafat hat kapituliert und sich einem israelischen Diktat ausgeliefert, das die Fortschreibung der Besatzung und der israelischen Landnahme indirekt legitimiert. Die PLO, so Watzal, habe sich zu einer Quisling-Regierung gemacht, die die Aufgaben der israelischen Besatzung in den Gebieten übernommen habe, die sie derzeit kontrolliert.

Die Menschenrechte der Palästinenser würden nunmehr nicht mehr nur von den Israelis verletzt, sondern zunehmend auch von den acht palästinensischen Geheimdiensten, die die Macht der Arafat- Clique sicherstellen sollen. Aus der Luft gegriffen hat Watzal seine Thesen nicht. Er kann sie belegen. Und er tut es auch. Er schreibt von 19 palästinensischen Opfern der Folterpraxis der Geheimdienste, wohlgemerkt der palästinensischen. Nicht nur der Ausbau der israelischen Siedlungen, sondern auch die Morde der Siedler an Palästinensern sind dem Autor Indiz für den fehlenden Friedenswillen auf israelischer Seite. In der Regierung Netanjahu, die seit Mai 1996 in Israel an der Macht ist, sieht er eine klerikal-revanchistische Macht, die selbst die geringen Zugeständnisse des Oslo-Prozesses wieder rückgängig machen will. An Belegen dafür mangelt es ihm nicht.

Sein größter Vorwurf: Das palästinensische Verhandlungsteam hat grundlegende völkerrechtliche Positionen aufgegeben, ohne eine Garantie für das eigene Selbstbestimmungsrecht sowie eine staatliche Souveränität zu erlangen.

Damit hat der Autor zweifelsohne Recht. Doch dem politischen Prozeß, der mit Oslo eingeleitet wurde, fehlt die historische Perspektive. Gewiß verfügen die Palästinenser bislang nur über einen autonomen Fleckenteppich. Nach wie vor sind sie wirtschaftlich und politisch der Gewalt der israelischen Besatzung unterlegen. Doch die – wenn auch geringe – Aufgabe von Land, die Anerkennung „politischer Rechte der Palästinenser“ und der Beginn der Verhandlungen selbst stellen einen historischen Wendepunkt im nahöstlichen Konflikt dar. Es mag zutreffen, daß die Regierung Netanjahu diesen Prozeß aufhalten kann, stoppen kann sie ihn nicht. Vielleicht bedarf es eines weiteren Krieges wie dem Jom-Kippur- Krieg vor 25 Jahren, um eine definitive Wende herbeizuführen. Und vielleicht steht am Ende nicht eine Zweistaatenlösung, sondern ein ganz anderes Modell des Zusammenlebens von Israelis und Palästinensern. Die Mehrheit der Israelis und der Palästinenser will einen gegenseitigen Frieden. Und deshalb wird er auch kommen.

Warum er nicht sofort kommen wird, welche historischen Entscheide und Ideologien einer Versöhnung bis heute im Wege stehen, das kann man nirgendwo besser nachlesen als in Watzals Buch. Georg Baltissen

Ludwig Watzal: „Friedensfeinde“. Aufbau Verlag Berlin 1998, 302 Seiten, 19,80 Mark