■ SommerSchule
: Nicht filetieren

In der SommerSchule debattieren LeserInnen die Zukunft von Schule und Hochschule.

Bildung als „Megathema“ (Roman Herzog), das ist schon in Ordnung. Aber eine Regierung müßte es wirklich als vorrangiges Problem auffassen: Bildung und Wissenschaft sind nämlich die Voraussetzungen einer erfolgreichen Reformpolitik, nicht erst ihre Folge.

Forschung ist nicht einfach technische Innovation und trendgemäße Förderung angelaufener Modernisierung. Grundlagenforschung mit klar erkennbaren Förderschwerpunkten – soziale Brennpunkte, Energie, Verkehr, Wohnen, auch Bildungsforschung selbst – braucht eine klare politische Strukturierung und kompetente Anbindung an die WissenschaftlerInnen. Vor allen Dingen aber muß die Forschung an die Hochschulen zurückkehren: Dort lernt die junge Generation, dort wird der Nachwuchs ausgebildet, dort werden Persönlichkeiten geformt. Laßt daher die StudentInnen endlich sehr früh an die Forschungsarbeit heran. Gebt ihnen reale und nicht virtuelle Projektarbeit, und macht sie dabei hungrig auf Theorie!

Autonome Unis

Das geht aber nur, wenn wir das Dreieck „Ausbildungsförderung-Hochschulfinanzierung- Forschungsförderung“ neu konstruieren. Die elternunabhängige Ausbildungsförderung würde dadurch einen Leistungsanspruch an Lehrende und Studierende begründen, den es bisher nicht gab. Die Hochschulfinanzen sind nur zu konsolidieren, wenn die Hochschulen Ersatzinvestitionen, Aus- und Umbau sowie die dringend notwendigen zusätzlichen Geldquellen autonom gestalten können. Wir brauchen keine Studiengebühren. Aber Hochschulen sind auch Dienstleister auf einem öffentlichen Markt – und müssen daher ihre Einnahmen selbst verwenden können.

Eine leistungsbezogene Personalstruktur mit einer Chance für den Nachwuchs steht hier ebenso an wie eine Reform der Hochschulorganisation – einschließlich demokratisierter Leitungseben, Globalhaushalten, Qualitätsmanagement und der öffentlichen Akkreditierung neuer Einrichtungen und Studiengänge. Überhaupt müssen die Öffentlichkeit und die ExpertInnen auf der Abnehmerseite – Eltern, Medien, Wirtschaft – ganz anders und stärker als bisher eingebunden werden: wir verlangen schließlich eine Menge Geld von ihnen.

Inhaltlich werden wir nur dann Versäumtes aufholen können, wenn wir die drei am stärksten vernachlässigten Bereiche – Lehramtsausbildung, Frauenförderung und Umgestaltung der Studieninhalte – vorrangig und zeitgleich angehen. Denn die wissenschaftliche Lösung unserer brennenden Probleme ist in den Schulen vorzubereiten – dazu brauchen wir LehrerInnen für die Grundausbildung ebenso wie im Bereich des lebenslangen Lernens: Das dürfen keine Fachinformanten mehr sein, sondern sozial sensible ProblemvermittlerInnen. Wissenschaft kann auch keinesfalls auf ein Frauenpotential verzichten, das die Hälfte aller Arbeitsplatz-, aber auch Qualitätsansprüche verkörpert. Und die Studieninhalte schließlich müssen sich von der engen Berufsbindung, aber auch von der völligen Verwertungsbeliebigkeit lösen. Es sind jetzt jene Tätigkeiten vorzubereiten, die dem großen Umbau entsprechen – der durch die Wahl gerade eine massive Legitimation erfahren hat. Michael Daxner

Der Autor war bis vergangene Woche Präsident der Uni Oldenburg, die in einem Modellprojekt autonom wirtschaftet. Beiträge an bildung@taz.de