Hilfsorganisationen streiten über Nord-Korea

■ Die Bevölkerung hungert, doch das Regime in Pjöngjang bestellt 200 Mercedes-Limousinen

Berlin (taz) – Die Entscheidung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die Arbeit in Nord-Korea wegen starker Einschränkungen durch die dortige Regierung zu beenden, ist bei den in dem nordostasiatischen Land tätigen humanitären Organisationen umstritten. Gestern verabschiedeten die Vertreter von sieben internationalen Hilfsorganisationen in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang eine gemeinsame Erklärung, in der sie in diplomatischer Sprache die internationale Hilfsgemeinschaft auffordern, sich für die Durchsetzung gemeinsamer und überprüfbarer Prinzipien ihrer Hilfe einzusetzen.

Indirekt unterstützt die Erklärung die von Ärzte ohne Grenzen geäußerte Kritik an der starken Einschränkung der humanitären Arbeit in dem isolierten kommunistischen Staat. Ulrike von Pilar von der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen beklagte gestern gegenüber der taz, die Mitarbeiter ihrer Organisation hätten in Nord- Korea Patienten nicht außerhalb der therapeutischen Ernährungszentren besuchen können. „Wir haben den Eindruck, daß wir den am schwersten vom Hunger betroffenen Kindern nicht systematisch helfen dürfen.“ Die verantwortungsvolle Durchführung von Projekten sei unmöglich geworden. Deshalb habe die Organisation in der vergangenen Woche beschlossen, die Arbeit ihrer 13 Helfer in Nord-Korea zu beenden.

„Das Klima für internationale Organisationen ist rauher geworden“, bestätigt der Vertreter der Deutschen Welthungerhilfe in Nord-Korea, Hubertus Rüffer. Eine bedingungslose Vergabe von Hilfsgütern in großem Umfang erschwere in der Tat die Tätigkeit der Hilfsorganisationen. Seine Organisation habe ähnliche Probleme wie Ärzte ohne Grenzen, so Rüffer, ziehe sich aber nicht zurück, weil damit niemandem geholfen werde.

Bei der Welthungerhilfe geht man aufgrund eines eigens entwickelten Registrationssystems der Hilfsempfänger davon aus, daß die geleistete Hilfe im Umfang von bisher rund 15 Millionen Mark die gewünschte Zielgruppe erreicht. „Es gibt in Nord-Korea aber immer ein Restrisiko, daß ein Teil in die Hände der Armee und Parteikader gerät“, so eine Mitarbeiterin der Organisation.

Beim katholischen Hilfswerk Caritas stößt die Position von Ärzte ohne Grenzen auf wenig Verständnis. „Mit jeder Reise nach Nord-Korea ist mein Spielraum größer geworden“, sagt die Nord- Korea-Beauftragte Käty Zellweger. Sie könne sich im Land so frei bewegen wie die Einheimischen, die auch nicht überall hin dürften. Kontrollbesuche in Familien seien für ihre einheimischen Mitarbeiter kein Problem. Die Hilfe erreiche die angestrebte Zielgruppe.

Bisher deutet sich nicht an, daß weitere Organisationen dem Beispiel von Ärzte ohne Grenzen folgen und das Land verlassen. In der vergangenen Woche hatten bereits Unicef und das Welternährungsprogramm betont, daß sie weiter in Nord-Korea bleiben wollten. Wie Hohn für die Arbeit der internationalen Helfer muß die jüngste Entscheidung der Regierung des vor dem wirtschaftlichen Kollaps stehenden Landes klingen, 200 Limousinen der 500er S-Klasse bei Daimler-Benz zu bestellen. Kosten: 20 Millionen US-Dollar. Das berichte gestern die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Der Wagenpark des nordkoreanischen Regimes besteht weitgehend aus Mercedes- Karossen. Sven Hansen