Weißblaue Träume vom Ende der Krise

■ Jedes zweite deutsche Unternehmen bei Moskau kommt aus Bayern. Kulturtage mit Freibier und Hoffnung auf Erholung der Wirtschaft

Moskau (taz) – Am 3. Oktober begannen die bayerischen Kulturtage in Moskau, aber erst gestern fanden Vertreter der bayerischen und der Moskauer Regierung Zeit, das Ereignis in der Neuen Manege mit Freibier zu begehen.

Bayern ist wie Moskau ein Staat im Staate, und wie im Falle Bayerns gelten auch für Moskau nicht unbedingt die historischen Gesetzmäßigkeiten des größeren Staates, der es umgibt. Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu bestätigte dies indirekt dem dynamischen Moskauer Oberbürgermeister Juri Luschkow: „Wir wissen, daß es in der zentralen Politik in Rußland eine Umgestaltung gibt, aber wir wissen auch: In Moskau wird eine klare Richtung bewahrt, für die Sie persönlich bürgen.“

Im Rahmen der noch bis zum 10. Oktober dauernden Veranstaltung finden auch ein großes Medizintechnik-Symposium mit Fachausstellung für russische Unternehmen und Krankenhäuser und ein Treffen zum Thema Verkehrstechnik und -ökologie statt. Das Ganze wird von einem bunten Kulturprogramm unter Beteiligung des Goethe-Instituts umrahmt.

Die Tradition der bayerisch- Moskauer Begegnungen hat einen soliden wirtschaftlichen Hintergrund. Die Hälfte der rund 800 in der Moskauer Region vertretenen deutschen Firmen kommt aus dem Freistaat. Viele bayerische Unternehmen haben sich schon jahrelang vor Ort engagiert. Zum Beispiel sind der Metzgermeister und Betriebsberater für Fleischtechnologie, Karl Weiß, mit seiner Firma BEA und die für ihre Joghurte berühmte Handels-GmbH Mawy & Ehrmann schon sieben Jahre lang in Rußland aktiv.

Weiß berät winzige bis gigantische fleischverarbeitende Betriebe in Rußland und hat schon viele davon saniert. Inzwischen besitzt er auch eine eigene Fleischfabrik vor Moskau und will sich so schnell nicht verjagen lassen. Ob der mit der russischen Außenhandelskrise verbundene Stopp der Lebensmittelimporte seinem Sektor arg zu schaffen mache? Weiß sagt philosophisch: „Ich erblicke darin eine große Chance für die russische Landwirtschaft. Wenn alle die Notwendigkeit einsehen, wird man den Viehbestand im Lande schnell wieder aufbauen können.“

Philosophisch reagiert auch Quirin Wydra, Geschäftsführer von Ehrmann, auf die Krise. Seine Firma ist auf ihrem Sektor die Nummer zwei im Lande und hat sich mit Hilfe von in Rußland ausgebildeten Promotoren ein dichtes Händlernetz aufgebaut. Auf die Frage, ob das Aussetzen der Außenhandelsschulden Mawy & Ehrmann keine Verluste gebracht habe, gibt Wydra zu: „Natürlich haben wir Ausfälle.“ Ehrmann liefert aber weiter und stundet den russischen Partnern ihre Schulden: „Wir sind sicher, daß sie später ihren Verpflichtungen nachkommen werden. Partnerschaft bedeutet, daß man sich auch in schwierigen Situationen hilft und gemeinsam daran arbeitet, sie zu überwinden.“ Barbara Kerneck