Deutscher Schrott für Osteuropa

EU berät über Altautoverordnung. Schrottlobby will ineffektives deutsches System auf Brüssel übertragen – dabei gibt es ein gut funktionierendes Vorbild  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Der Schrottpreis ist im Keller. Nicht auszuschließen, daß Händler demnächst noch was drauflegen müssen, damit sie das Altmetall loswerden. Der Grund: Rußland überschwemmt den Markt. Und auch sonst läuft es für Altautoverwerter nicht gut. Immer weniger ausgediente Fahrzeuge werden abgeliefert, seit die Altautoverordnung im April in Kraft trat. Seither müssen die letzten Besitzer einen Verwertungsnachweis von einem staatlich anerkannten Betrieb vorlegen, wenn sie ihr Auto endgültig abmelden wollen.

250 bis 300 Mark kostet es, einen Pkw in seine Bestandteile zu zerlegen, die brauchbaren Teile zu recyceln und den Rest zu schreddern und auf der Deponie abzulagern. Doch soviel kann die Branche den Autobesitzern derzeit nicht abknöpfen: „Wir nehmen zur Zeit 59 Mark. Sonst müßten die Leute Karten spielen“, sagt Martin Knode, Geschäftsführer von Retek im ostfriesischen Ihlow.

Kein Wunder. Denn der Staat bietet den Besitzern von Schrottmöhren einfache Möglichkeiten, auch diese 59 Mark zu sparen. Der überwiegende Teil der Leute meldet sein altes Auto offiziell nur vorübergehend ab. Nach ein bis eineinhalb Jahren werden diese Wagen dann traditionell aus dem zentralen Fahrzeugregister gelöscht, wenn sich der Halter nicht mehr gerührt hat. Seit dem 1.April soll der Autobesitzer zwar zuvor den Verwertungsnachweis oder den Vertrag über den Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs vorlegen. Tut er dies nicht, werden 10 Mark Strafe fällig.

Offiziell müßten die Ordnungsbehörden in solch einem Fall recherchieren, wo das Auto abgeblieben ist. Aber dafür haben sie keine Kapazität. Die Wahrscheinlichkeit, daß es entweder in Osteuropa weiterfährt oder dort kostenlos entsorgt wurde, ist äußerst groß. Der Zoll registriert nur die Fahrzeugnummern von dicken Autos. Auch das kürzlich erlassene russische Importverbot für Autos, die älter als fünf Jahre sind, gilt nicht als ernsthaftes Hindernis: Die Wagen werden kurz vor der Grenze zollkonform zerlegt.

Offizielle Zahlen gibt es nicht. Doch Experten schätzen, daß jährlich über zwei Millionen deutsche Altautos, als Gebrauchtwagen deklariert, in Richtung Osten rollen – Tendenz seit 1. April steigend. Heute diskutieren die EU-Umweltminister die europäische Altautorichtlinie. Die Autoindustrie hat intensive Lobbyarbeit betrieben, um das deutsche System auf Brüsseler Ebene zu übertragen. Besonders viel liegt ihr daran, der freiwilligen Selbstverpflichtung europaweite Geltung zu verschaffen, um eine harte Vorgabe zu verhindern. Die deutschen Autohersteller haben zugesagt, alle seit 1998 produzierten Wagen kostenlos zurückzunehmen, solange sie nicht älter als 12 Jahre sind.

Die EU-Kommission erwägt dagegen, auch früher gefertigte Autos in das Recyclingprogramm einzubeziehen. Außerdem will sie der Industrie verbieten, Chrom, Cadmium und Blei als Teil des Schreddermülls auf die Deponie zu bringen. „Die Forderung der EU ist naiv und zeugt von technischem Unverständnis“, wettert Martin Schenk, Geschäftsstellenleiter der Arbeitsgemeinschaft Altauto. Blei sei ein Legierungsbestandteil ganzer Bauteile und könne nur durch Totaldemontage zurückgewonnen werden. Und für Chrom gebe es kein Substitut. „Aber der Glanzeffekt wird von den Verbrauchern gewünscht.“

Daß es auch wesentlich effektiver als in Deutschland geht, beweisen die Niederlande. Dort wird beim Verkauf jedes Neuwagens eine vorgezogene Entsorgungsgebühr verlangt. In einem zentralen Register sind sämtliche Verschrottungen und Exporte ins Ausland erfaßt. Wer sein Auto vorübergehend abmeldet und nach drei Monaten nicht wieder vorstellig geworden ist, muß Kfz-Steuern zahlen. Die holländischen Recycler haben gut zu tun und verwerten außerdem einen weitaus größeren Prozentsatz der Materialien als ihre Kollegen in Deutschland.