Kein EU-Konsens zum Kosovo

Die Außenminister sind sich uneins über einen Nato-Angriff und die Umsetzung bereits beschlossener nichtmilitärischer Druckmaßnahmen gegen Belgrad  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Trotz hektischer diplomatischer Aktivitäten und einer zunehmend aufgeregten Diskussion über Luftangriffe der Nato ist ein Ende der Aggression serbischer „Sicherheitskräfte“ im Kosovo und die Rettung Zehntausender vertriebener Albaner vor dem Hunger- und Kältetod weiterhin nicht gesichert. In Luxemburg befaßten sich die EU-Außenminister gestern zum wiederholten Male mit dem Thema Kosovo.

Beim Treffen der Außenminister wurde erneut deutlich, daß es im Westen trotz aller verbaler Drohungen der letzten Tage mitnichten einen handlungsfähigen Konsens über Nato-Luftangriffe gibt, schon gar nicht ohne eine vorherige Zustimmung durch den UNO- Sicherheitsrat. Ausdrücklich machten neben Bundesaußenminister Klaus Kinkel auch seine Amtskollegen aus Luxemburg, Dänemark, Italien, Spanien und Griechenland (sämtliche auch Nato-Mitglieder) ein UNO-Mandat zur Voraussetzung.

Ausschlaggebend für diese Haltung sind sowohl völkerrechtliche Grundprinzipien wie die Sorge, ein Alleingang der Nato werde das Verhältnis zu Rußland dauerhaft beschädigen. Über andere Formen militärischen Eingreifens zur Sicherung der humanitären Versorgung der rund 300.000 Flüchtlinge und Vertriebenen in den nächsten Wintermonaten – etwa durch eine UNO-Truppe mit Zustimmung und Beteiligung Rußlands – wurde bei der EU-Sitzung nicht diskutiert.

Konsens unter den 15 Mitgliedern herrscht nicht einmal über eine Verschärfung und Umsetzung bereits beschlossener nichtmilitärischer Druckmaßnahmen gegen Belgrad. Die Debatte über ein – seit Mai von den EU-Außenministern bereits mehrfach in Aussicht gestelltes – Einfrieren von Auslandsguthaben restjugoslawischer Firmen und die Einschränkung der Reisetätigkeit von Offiziellen erbrachte erneut keinen eindeutigen Beschluß. Einige Außenminister wandten sich ausdrücklich gegen Reisebeschränkungen für Milošević.

Belastet wurde die Diskussion zudem durch auch auf der Außenministersitzung nicht geklärte Berichte, wonach Großbritannien, Griechenland und andere EU- Staaten das im August beschlossene Embargo gegen die restjugoslawische Fluggesellschaft JAT weiterhin nicht voll umsetzen beziehungsweise Ausgleichszahlungen für erlittene Verluste an die JAT leisten.

Im UNO-Hauptquartier in New York wurde gestern die Darstellung zahlreicher Medien zurückgewiesen, „der Bericht von UNO- Generalsekretär Annan könnte die rechtliche Basis für Luftangriffe der Nato schaffen“ beziehungsweise „grünes Licht“ für ein Eingreifen der westlichen Militärallianz bedeuten. Der UNO-Generalsekretär werde sich jeglicher Äußerungen oder gar Empfehlungen zur Frage militärischer Maßnahmen enthalten, hieß es in New York. Die Entscheidung über diese Frage falle – völlig unabhängig vom Inhalt des Berichts, den UN-Generalsekretär Kofi Annan gestern zur Lage im Kosovo vorlegte – in die alleinige Kompetenz des Sicherheitsrates. Und nach übereinstimmender Einschätzung im UNO-Hauptquartier würden sowohl Rußland wie auch China ein Mandat der UNO für Nato- Luftangriffe durch ein Veto verhindern.