Die Jungs, ihre Freundinnen und „Die“

Eine Jugendgang aus Langenhorn steht wegen Vergewaltigung vor Gericht  ■ Von Elke Spanner

Daß ihre Freunde dort auf der Anklagebank sitzen, so „ausgeliefert“, das finden sie „demütigend“. Die fünf Mädchen, so erzählen sie, können nichts mehr essen, nicht mehr schlafen. So aufgeregt sind sie. Denn die drei Jungs, darin sind sie sich einig, stehen unschuldig vor Gericht. Daß Darko, Daniel und Dennis die 13jährige Tina vergewaltigten, pfft, das sei gelogen, sagen sie verächtlich und mit vielsagender Miene: „Wir kennen die.“ „Die“ hat ihre Strafe schon dafür bekommen, daß sie die Clique vor Gericht gebracht hat: Seither wird sie von ihren ehemaligen Freundinnen geschnitten.

Erst vier Monate ist es her, da standen alle noch jeden Nachmittag zusammen am Langenhorner Markt. Das war der Treffpunkt derer, die im Viertel das Sagen hatten, und wer hier mitstehen wollte, der mußte sich das erst verdienen. Durch Heldentaten die Jungs, durch wichtige Freunde die Mädchen. Die Palette der Anklagepunkte gegen die drei Jungen im Alter von 14 bis 19 Jahren ist lang: Mißhandlung von Mitschülern, Diebstähle, Überfälle. Als Dennis und Daniel im Januar unbemerkt auf dem Flughafen in eine Passagiermaschine eindrangen, als ihre Gesichter tagelang die Titelseiten Hamburger Zeitungen schmückten, da seien sie „die Stars in der Szene“ gewesen, weiß ihr Rechtsanwalt Christoph Römmig.

Tina, so hatte sie selbst vor Gericht erzählt, wollte „auf dem Markt“ als „tolles Mädchen“ gelten. Also schlief sie erst mit Darko, ehe sie ihn bat, ein Rendezvous mit Daniel zu vermitteln. Daraus wurde für sie eine qualvolle Nacht: Über sechs Stunden lang wurde sie immer wieder von Darko, Dennis und Daniel zum Sex gezwungen.

Vor Gericht haben die Jungs eingeräumt, daß sie Tina „durch Bettelei, Schmeichelei und die Drohung, ihren Ruf auf dem Markt zu zerstören“, gezwungen hätten. „Nein“ habe sie nicht ausdrücklich gesagt, es wohl aber anders ausgedrückt. Doch das, so Darko, habe er nicht hören wollen. „Wir haben sie wie ein Stück Dreck behandelt“, weiß er heute.

Damals, im Mai, als er noch in Freiheit und nicht in Untersuchungshaft war, da hat sich Darko noch keine Gedanken darüber gemacht. Den Übergang von Heldentaten zu Verbrechen hat die Clique nicht mitgeschnitten. „Das hat sich immer weiter gesteigert“, so Darko. „Ich habe das Gefühl dafür verloren, was richtig ist und was falsch.“ Auch sie „hätte nie gedacht, daß es so ernst werden kann“, sagt eine der Freundinnen und schaut sich auf dem Gerichtsflur um, als würde sie erst jetzt realisieren, wo sie sich befindet. „Das war doch alles immer nur Spaß.“

Daniel und Darko sitzen seit vier Monaten in Untersuchungshaft. Dort „freue ich mich über jede Biene, die in meine Zelle fliegt“, schrieb Daniel einer Freundin in einem Brief. In ihrem Abschlußwort vor Gericht geloben sie, künftig, „wenn es geht, keine Scheiße mehr bauen zu wollen“. Ihre Verteidiger haben beantragt, den 14jährigen Dennis nur zu einem mehrmonatigen „sozialen Training“ zu verdonnern und für die beiden Älteren Jugendstrafen zur Bewährung auszusetzen. Die Staatsanwaltschaft hat für alle drei Gefängnis beantragt, nur für den 14jährigen Dennis zur Bewährung. Die Jugendkammer des Landgerichts wird heute ihr Urteil verkünden.