Kirche schweigt über Beurlaubung

■ Gerüchte um die Beurlaubung des Predigers des Berliner Doms reißen nicht ab. Aber Berichte über die Stasi-Tätigkeit von Martin Beer sind nach Angaben seines Dienstherrn nicht der Grund

Seit März dieses Jahres ist der Prediger des Berliner Doms, Martin Beer, beurlaubt. Seitdem gegen den 48jährigen ein kirchliches Disziplinarverfahren wegen des Verdachts mehrerer Amtspflichtverletzungen läuft, ranken sich viele Gerüchte um die Hintergründe. Sie reichen von einer Tätigkeit für die Staatssicherheit über Alkoholmißbrauch bis hin zu seiner Homosexualität.

Gestern bestätigte die Gauck— Behörde einen Zeitungsbericht, wonach Beer von 1981 bis 1987 als Inoffizieller Mitarbeiter für die Stasi gearbeitet hat. Er soll über Kirchentagungen, Kontakte zur Partnergemeinde Bremen und Vorgesetzte berichtet haben. Die Stasi-Tätigkeit ist jedoch nach Angaben von Beers Dienstherrn, der Evangelischen Kirche der Union (EKU), nicht der Grund für die Beurlaubung. Die IM-Tätigkeit sei „Gegenstand von dienstaufsichtlichen Maßnahmen“ gewesen und habe mit dem Ermittlungsverfahren nichts zu tun.

Das Verfahren beziehe sich, so die Pressesprecherin der EKU, Carola Wolf, auf Vorgänge aus der Zeit zwischen 1978 und 1989, als Beer als Pfarrer auf Rügen für die Pommersche Evangelische Kirche tätig war — eine der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der EKU. Mit Verweis auf das schwebende Verfahren machte Wolf keine weiteren Angaben zu den Vorwürfen, die aus Gemeindekreisen und von außerhalb kommen. Beers Beschwerde gegen seine vorläufige Beurlaubung war Ende August von der Disziplinarkammer der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB), die Disziplinarverfahren der EKU verhandelt, zurückgewiesen worden (die taz berichtete).

Fällt die IM-Tätigkeit als Grund der Ermittlungen weg, bleiben sexueller Mißbrauch und Veruntreuung als „Amtsplichtverletzungen“. Von Beers Homosexualität wußte die Kirchenleitung bereits bei seinem Amtsantritt im Oktober 1989. „Das allein ist kein Grund für Ermittlungen“, so der EKU-Vizepräsident, Rainer Bürgel. „Wenn nichts weiter passiert, ist das nicht zu ahnden. Sonst würden wir doch hinter dem Mond leben.“

Beer, einer der renommiertesten Geistlichen der Stadt, weihte 1993 in Anwesenheit von Helmut Kohl den Dom, die ehemalige deutsche „Hauptkirche des Protestantismus“, wieder ein. Vier Jahre später wohnte er der Grundsteinlegung des Bundeskanzleramtes bei. Beer gehörte auch einer Expertenkommission an, die vermeintlich belastete Straßennamen in Mitte überprüfte. Gestern nach Redaktionsschluß wollte die Disziplinarkammer der EKiBB abschließend über die Vorermittlungen beraten. Barbara Bollwahn