■ Grüne: Rezzo Schlauch wurde für den Fraktionsvorsitz nominiert
: Überstürzte Eile

Den Gebrauch politischer Floskeln haben manche Bündnisgrüne überraschend schnell gelernt. An der Darstellungsform muß hingegen noch ein wenig gefeilt werden. Je inhaltsleerer eine Stellungnahme ist, desto glücklicher und stolzer strahlt der Blick in die Kameras. Hoffentlich erbarmt sich bald einmal eine mitleidige Seele aus einer der anderen Parteien und verrät den künftigen Regenten, daß Ausweichmanöver eine zwar manchmal erforderliche Notlösung, aber noch kein politischer Wert an sich sind.

Auch in anderer Hinsicht könnte ein Seitenblick auf andere durchaus Wunder wirken. Die SPD weiß, warum sie sich in der Frage der künftigen Fraktionsführung bisher bedeckt hält. Das interne Kräfteparallelogramm wird weitgehend von der Kabinettsliste bestimmt. Erst wenn die feststeht, wird auch offenkundig, welche Gruppen sich benachteiligt fühlen und wer geeignet ist, integrierend nach innen zu wirken.

Kein Thema für Bündnis 90/Die Grünen. Statt dessen volle Kraft voraus im Umgang mit einer derart sensiblen Frage. Die realpolitische Strömung hat in der Fraktion die Mehrheit, und die hat nun Rezzo Schlauch für das Amt des Fraktionschefs nominiert. Gleichzeitig wird in Bonn gestreut, die Parteilinke wolle als seine Amtskollegin erneut die bisherige Fraktionssprecherin Kerstin Müller nominieren. Dabei haben sich die Linken auf ihre Kandidatin noch gar nicht abschließend geeinigt. Es gibt mehrere interessierte Bewerberinnen. Die gezielten Indiskretionen sind ein klares Signal, wie die Fraktion gefälligst zu stimmen hat. Das ist fürs Binnenklima nicht gut.

Die Strömungen werden schon seit längerer Zeit von vielen Grünen als inhaltlich weitgehend überholt und als nur noch für den Postenproporz geeignet betrachtet. Beim Thema Fraktionsvorsitz hätte es eine echte Chance der Erneuerung gegeben: Eine gemeinsame Entscheidung der Gesamtfraktion, verbunden mit einem Verzicht auf Strömungstreffen und Vorabsprachen, hätte von dem Willen gezeugt, alte Gräben zu überwinden und zu einer neuen Einheit zu finden. Bei vorhersehbar gleichem Ergebnis.

Die Chance wurde vertan. Statt dessen sind Abgeordnete ohne Not brüskiert worden, und das auch noch im Vorfeld eines Koalitionsvertrages, der viele enttäuschte Hoffnungen in sich bergen wird. Die Führungsspitze der Grünen nimmt derzeit wenig Rücksicht auf die Gefühle der eigenen Leute. Das kann sich noch bitter rächen. Bettina Gaus